Leitsatz (amtlich)
Zur - hier verneinten - Nichterforderlichkeit der Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil bei Erteilung einer Sorgerechtsvollmacht.
Das Verbot des Absehens von der erneuten Vornahme erstinstanzlich durchgeführter Verfahrenshandlungen im Beschwerdeverfahren gilt im Wege der teleologischen Reduktion nicht, wenn der hierdurch geschützte Beteiligte insoweit kein Rechtsmittel eingelegt hat.
Normenkette
BGB §§ 1666, 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2; FamFG § 68 Abs. 3 S. 2, Abs. 5
Verfahrensgang
AG Koblenz (Aktenzeichen 191 F 207/21) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz vom 23.05.2022, Az. 191 F 207/21, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 4.000 EUR festgesetzt.
3. Der Kindesmutter wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwälte K. bewilligt.
Gründe
I. Mit dem angefochtenen Beschluss, auf welchen zur Darstellung des Sach- und Streitstands sowie wegen den der Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen verwiesen wird, hat das Familiengericht nach Anhörung der Eltern, der Kinder, des diesen bestellten Verfahrensbeistands und des Jugendamts sowie der Einholung eines Sachverständigengutachtens der Kindesmutter die alleinige elterliche Sorge für die beiden ehelichen Kinder F., geb. ... 2016, und E., geb. ... 2018, übertragen mit Ausnahme des Rechts zur Regelung des Umgangs. Letzteres hat es beiden Eltern entzogen und auf das Jugendamt der Stadtverwaltung K. als Ergänzungspfleger übertragen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kindesvater mit seiner Beschwerde. Dieser ist Personalfeldwebel bei der Bundeswehr und steht unmittelbar vor einem mehrjährigen Auslandseinsatz in S. (Frankreich). Er begehrt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die elterliche Sorge beiden Elternteilen zu belassen oder die von ihm in Aussicht gestellte Vollmacht anzunehmen sowie ebenfalls beiden Elternteilen das Recht zur Regelung des Umgangs wieder zuzusprechen. Der Kindesvater erklärt, dass er große Sorge um die gemeinsamen Kinder bei einem Verbleib bei der Kindesmutter habe. Denn diese habe größere psychische Probleme; sie leide unter F90.0, F41.2 und F60.30. Leider werde diese Sorge und das klare Ansprechen der Probleme der Kindesmutter durch ihn als Herabsetzung der Mutter gewertet. Zur Hauptbezugsperson sei die Kindesmutter für die Kinder erst durch die gegen ihn infolge falscher Verdächtigungen der Kindesmutter (Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Körperverletzung und sexuelle Nötigung) eingeleiteten polizeilichen Maßnahmen geworden. Das eingeholte Sachverständigengutachten unterstelle ihr in unbegründeter Weiser eine größere Bindungstoleranz. Dabei habe sie bis heute jegliche Terminvereinbarung bei der Lebensberatungsstelle K. ausgeschlagen und verweigere nunmehr auch seinen vom Ergänzungspfleger festgelegten Umgang mit den Kindern in den Sommerferien. Ebenfalls habe sie E. eigenmächtig im Kindergarten umgemeldet. Das Familiengericht habe die Kinder überhaupt nicht nach ihrer Präferenz gefragt. Dabei habe der sehr reife und ältere Sohn F. dem eingesetzten Ergänzungspfleger Herr J. am 13.12.21 gesagt, dass er bei seinem Vater wohnen wolle. Dies habe er auch der Sachverständigen gegenüber geäußert. Unbegründet sei schließlich die Befürchtung, dass die Kindesmutter im Falle des Fortbestands des gemeinsamen Sorgerechts auf Dauer keine Handlungssicherheit habe. Denn aufgrund der seitens der Kindesmutter gegen den Kindesvater erhobenen wahnsinnigen Gewaltanschuldigungen verbunden mit den daraufhin ergriffenen Maßnahmen habe es faktisch bislang keine gemeinsame elterliche Sorge gegeben. Demnach wisse niemand, ob eine gemeinsame elterliche Sorge funktioniere und wer unter Umständen seinen Anteil der Sorge gegen das Kindeswohl der Kinder nutzen werde. Die persönlichen Kontakte mit der Kindesmutter im Zuge der Kindesübergaben seien einwandfrei verlaufen. Zusammengefasst sei somit die gemeinsame elterliche Sorge in allen Bereichen beizubehalten, weil die sämtlich eingestellten polizeilichen Maßnahmen und Anzeigen gegen ihn, den Kindesvater, vor dem Hintergrund seiner klaren Wortwahl zu sehen seien, der Kindeswille in Bezug auf den Aufenthalt der Kinder vom Gericht ermittelt und der im Gutachten niedergeschriebene Kindeswille beachtet werden müsse, bei der Stellungnahme des Jugendamts die Auswechslung aller Sachbearbeiter und die Kollegialität des neuen Sachbearbeiters diesen gegenüber zu berücksichtigen seien, die Kindsmutter die Termine zur Verbesserung der Kommunikation abgesagt habe, das Sachverständigengutachten sich bezüglich der Psychiatrieaufenthalte und der Befunde lediglich auf die Kindesmutter selbst berufe, er, der Kindesvater, absolut bereit sei, mit der Kindesmutter zu kooperieren sowie es in der Vergangenheit überhaupt keine strittigen Entscheidungen bei geteiltem Sorgerecht gegeben habe. Bei alledem erkenne er, der Kindesvater, s...