Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Erstattung der Kosten eines vor Rechtshängigkeit beauftragten Anwalts

 

Leitsatz (amtlich)

Vor Zustellung der Klage hat der Anspruchsgegner, der zufällig von der Klageeinreichung Kenntnis erlangt, in der Regel keine Veranlassung, einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Führt die Rücknahme der eingereichten Klage vor deren Zustellung zu einer Kostenentscheidung nach § 269 ZPO, besagt das nicht, dass die dem Anspruchsgegner entstandenen Kosten erstattungsfähiger Prozessaufwand sind.

 

Normenkette

ZPO §§ 91, 261, 269, 271

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 16.04.2012; Aktenzeichen 15 O 14/12)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des LG Koblenz vom 16.4.2012 aufgehoben und der Antrag des Rechtsanwalts S. auf Kostenerstattung vom 23.4.2012 abgelehnt.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens (Wert 514,68 EUR) haben die Beklagten zu tragen.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Rechtspfleger die von dem Kläger an die Beklagten zu erstattenden Kosten auf 514,68 EUR nebst Zinsen festgesetzt.

Mit der rechtzeitigen sofortigen Beschwerde hat der Kläger dies beanstandet, die Prozessvollmacht des Vertreters der Beklagten gerügt und darauf hingewiesen, dass diese tätig wurden, obgleich die "Anträge vor deren Zustellung zurückgenommen wurden".

Die angefochtene Entscheidung hebt auf die Rechtskraft der Kostengrundentscheidung und das Entstehen der Verfahrensgebühr ab. Das ist zwar zunächst richtig, greift aber zu kurz. Gemäß § 91 Abs. 1, Satz 1 ZPO sind der obsiegenden Partei nur die Kosten zu erstatten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren.

Der Kläger hatte beim AG Linz am 13.12 2011 eine Fülle von Anträgen und Unterlagen eingereicht, mit Abschriften für die Gegenseite und der Bitte, ihm soweit von Nöten die Zahlung des entsprechenden Gerichtskostenvorschusses aufzugeben. Schon unter dem 14.12.2011 bestellte sich Rechtsanwalt S. "zum Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner" und bat um Akteneinsicht. Nach Streitwertfestsetzung und Verweisung der Sache an das LG hat der Kläger, dem es nicht gelang, einen zu seiner Vertretung bereiten Anwalt zu finden, seine Anträge, die zu keiner Zeit förmlich zugestellt worden waren, umfassend und uneingeschränkt zurückgenommen.

Die Beauftragung eines Rechtsanwalts vor der Zustellung der Klage, ist generell - von einer Ausnahme abgesehen (Schutzschrift vor Erlass einer einstweiligen Verfügung) - nicht erforderlich. Zwischen den Parteien bestanden einige Streitigkeiten und die Beklagten erhielten durch Zufall, Mitteilung des Klägers oder wie auch immer von dem Einreichen der Anträge Kenntnis. Aus ihrer Sicht mag es sinnvoll gewesen sein, sich Kenntnis vom Inhalt der Akten zu verschaffen. Notwendig, im Sinne einer erforderlichen Rechtsverteidigung, war die Bestellung und das Tätigwerden des Rechtanwalts S. zu diesem Zeitpunkt und bis zur Rücknahme der nie zugestellten Klage jedenfalls nicht.

Nach alledem ist auf die Beschwerde des Klägers der Beschluss vom 16.4.2012 aufzuheben und die Festsetzung der angemeldeten, aber nicht erforderlichen Kosten abzulehnen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3569162

BauR 2013, 646

JurBüro 2013, 203

MDR 2013, 300

VersR 2014, 215

WuM 2013, 121

AGS 2013, 147

NJW-Spezial 2013, 156

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