Leitsatz (amtlich)
Zur Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil nach einem Umzug des anderen Elternteils an einen weiter entfernt liegenden Ort.
Normenkette
BGB § 1671 Abs. 1, § 1684
Verfahrensgang
AG Koblenz (Aktenzeichen 191 F 347/20) |
Tenor
Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz vom 26.02.2023 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 4.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Kindesmutter ist unbegründet.
Das Familiengericht, auf dessen Entscheidung zur Darstellung des Sach- und Streitstands sowie der dieser zugrundeliegenden rechtlichen Erwägungen verwiesen wird, hat dem Kindesvater zu Recht und in verfahrensrechtlich nicht zu beanstandender Weise gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das betroffene, fast fünfjährige Kind E. zur alleinigen Ausübung übertragen und den entsprechenden gegenläufigen Antrag der Kindesmutter abgelehnt. Diese nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, umfassender Anhörung der Verfahrensbeteiligten und der Bestellung eines Verfahrensbeistands für das Kind unter sorgfältiger Abwägung aller maßgeblichen Belange getroffene Entscheidung hält auch dem Beschwerdevorbringen und den im Beschwerdeverfahren erlangten Kenntnissen stand.
Auch der Senat ist wie die Verfahrensbeiständin (Bl. 66, 116 d.A. 2. Inst.) und das Jugendamt (Bl. 74, 106 ff. d.A. 2. Inst.) nach nochmaliger Anhörung der Verfahrensbeteiligten, einschließlich des Kindes, der Überzeugung, dass das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht der nicht miteinander verheirateten Kindeseltern aufzuheben und dem Kindesvater zur alleinigen Ausübung zu übertragen war, weil zu erwarten ist, dass dies dem Wohle E.s am besten entspricht.
1. Eine weiterhin gemeinsame Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts scheidet vorliegend aus, weil die Kindeseltern über den gewöhnlichen Aufenthalt von E. uneinig sind. Während die Antragstellerin einen solchen in ihrer früheren Heimat im Raum K. wünscht, wo sie nach der Trennung wieder wohnhaft ist, möchte der Antragsgegner, dass E. an ihrem bisherigen Wohnort in H. weiterhin ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
2. Bei der Frage, auf welchen Elternteil das Sorgerecht oder ein Teilbereich hiervon zu übertragen ist, sind die nachfolgenden Gesichtspunkte zu beachten, wobei ihrer Reihenfolge im Hinblick auf ihren Stellenwert keine Bedeutung zukommt (vgl. Johannsen/Henrich/Althammer/Lack Familienrecht 7. Aufl. 2020 § 1671 BGB Rn. 51 ff, 83 f.):
- der Förderungsgrundsatz, der darauf abstellt, bei welchem Elternteil das Kind die meiste Unterstützung für den Aufbau seiner Persönlichkeit erfahren kann;
- die Bindung des Kindes an beide Elternteile;
- der Wille des Kindes, soweit er mit dessen Wohl vereinbar ist und das Kind nach Alter und Reife zu einer Willensbildung im natürlichen Sinn in der Lage ist;
- der Kontinuitätsgrundsatz, der auf die Wahrung der Entwicklung des Kindes abstellt.
- Ausgehend hiervon war dem Kindesvater das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen.
a) Unstreitig ist die Erziehungsfähigkeit bei beiden Eltern grundsätzlich gegeben. Dies stellt auch die Kindesmutter ausweislich ihrer Äußerung im Senatstermin am 28.08.2023 nicht in Frage. Beide sind gleichermaßen geeignet und fähig, E. in ihrer Entwicklung zu fördern und zu unterstützen. Sie sind auch in vergleichbarer Weise bei der Betreuung von E. berufsbedingt auf die Mithilfe Dritter angewiesen und erfahren diese durch Kindergarten und in der Nähe wohnende Familienangehörige. E. ist sowohl im Kindergarten in K. als auch in jenem in H. gut integriert und glücklich.
Ebenfalls sind Qualität und Intensität der Bindung zwischen E. und beiden Elternteilen gleichermaßen stabil und positiv. Auch hat E. keine Präferenz für ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei einem von beiden Elternteilen geäußert.
b) Sodann sprechen hier zwar Kontinuitätsgesichtspunkte zunächst für einen Verbleib E.s in K. Denn das Kind lebt seit nunmehr rund drei Jahren mit seiner Mutter hier. Wenngleich E. in den ersten Lebensjahren in H. wohnte und dort auch nach der Trennung ihrer Eltern in maßgeblichem Umfang ebenfalls von ihrem Vater betreut wurde, spricht somit sowohl die personen- als auch die ortsbezogene Kontinuität für die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Kindesmutter.
Diese Kontinuität und die Qualität der Bindung zur Kindesmutter muss vorliegend jedoch hinter der mit ihrem Umzug zutage getretenen partiell fehlenden Erziehungseignung der Kindesmutter zurücktreten.
Zwar stehen die Motive des umzugswilligen Elternteils grundsätzlich nicht zur Überprüfung des Familiengerichts. Dementsprechend stehen dem Familiengericht auch keine Möglichkeiten zur Verfügung, die allgemeine Handlungsfreiheit eines Elternteils einzuschränken; ihm kann der Umzug nicht in zulässiger Weise untersagt werden. Die Befugnisse des Familiengerichts beschränken sich vielmehr auf das Kind...