Leitsatz (amtlich)

Der Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments befindet sich nach einer vom Erklärenden nicht zu verantwortenden unwirksamen Zustellung (einer beglaubigten Abschrift) weiterhin "auf dem Weg" zum Erklärungsempfänger, solange der Zustellungsauftrag (einer Ausfertigung) vom Auftraggeber nicht als abgeschlossen betrachtet wird. Daher kann durch alsbaldige nachfolgende Zustellung einer Ausfertigung der Widerruf noch wirksam erklärt werden.

 

Verfahrensgang

LG Trier (Aktenzeichen 11 O 391/15)

 

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 19.9.2016 (11 O 391/15) wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens und des Streithelfers jeweils zu 1/3.

3. Das angegriffene Urteil und das Senatsurteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I.

Die Kläger verfolgen gegenüber dem beklagten Land einen Anspruch aus Amtshaftung, weil sie infolge einer Pflichtverletzung des Streithelfers nicht Erben geworden seien.

Der Erblasser A, geboren am 26.12.1927 in Sch, zuletzt wohnhaft im Pflegeheim Evergreen S, hatte am 13.8.1996, zuletzt geändert durch Urkunde vom 3.7.2000, mit seiner Ehefrau ein wechselseitiges Testament mit gegenseitiger Erbeinsetzung beurkunden lassen. Im Juni 2012 trennte sich der Erblasser von seiner Ehefrau. Am 25.9.2012 ließ er dann den Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments vom 13.8.1996, geändert durch Urkunde vom 3.7.2007, notariell beurkunden und beantragte zugleich die Erteilung einer Ausfertigung der Urkunde an Rechtsanwältin P zum Zwecke der Zustellung an seine Ehefrau (Bl. 1 ff. Anlagenheft). Rechtsanwältin P hatte den Erblasser zu seinen Lebzeiten in diversen Familiensachen vertreten und ihn auch nach der Trennung von seiner Ehefrau beraten.

Gleichfalls am 25.9.2012 errichtete der Erblasser ein Testament und setzte die Kläger zu alleinigen und unbeschränkten Erben ein.

Mit Schreiben vom 27.9.2012 übersandte das Notariat die Ausfertigung der notariellen Urkunde, in welcher der Widerruf erklärt worden war, an die Rechtsanwaltskanzlei K. Das Schreiben ging dort am 1.10.2012 ein. Mit Schreiben vom 1.10.2012 übersandte Rechtsanwältin P die Ausfertigung der notariellen Urkunde zum Zwecke der Zustellung an die Gerichtsvollzieherverteilerstelle. In dem Schreiben hieß es: "In vorbezeichneter Sache überreichen wird anbei die Ausfertigung der Urkunde des Notars Dr. Q, UR-Nr. 1410/2012, mit der Bitte um Zustellung an Frau W."

Am 1.10.2012 verstarb sodann der Erblasser.

Am 8.10.2012 erreichte das Schreiben der Rechtsanwältin P den Streithelfer als zuständigen Gerichtsvollzieher. Nach Eingang des Schreibens rief der Streithelfer in der Rechtsanwaltskanzlei K an und führte ein Telefonat mit dem dortigen Bürovorsteher R.

Am 10.10.2012 erfolgte dann die Zustellung einer beglaubigten Abschrift der notariellen Urkunde, in welcher der Widerruf des Testaments erklärt worden war. Der Streithelfer übersandte die Zustellungsurkunde nach Eingang der Kanzlei K. Am 25.10.2012 wurde dem Streithelfer von der Kanzlei K der Auftrag erteilt, die Ausfertigung der notariellen Urkunde an die getrennt lebende Ehefrau des mittlerweile verstorbenen Erblassers zuzustellen. Es hieß in dem Schreiben: "Es ist nunmehr doch die Zustellung der Ausfertigung an Frau W erforderlich." Die Zustellung der Ausfertigung erfolgte am 28.10.2012.

Den Klägern wurde nach dem Tod des Erblassers kein Erbschein erteilt (Beschluss des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 3.2.2014, Az.: 8 W 97/13; Bl. 171 GA). Die Kläger führten sodann einen Schadensersatzprozess gegen Rechtsanwältin P. Die Klage wurde mangels Nachweis einer schuldhaften Pflichtverletzung abgewiesen (Urteil des Landgerichts Trier vom 15.7.2015, Az.: 5 O 187/14; Bl. 27 Anlagenheft). Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger hatte keinen Erfolg.

Die Kläger haben in erster Instanz die Auffassung vertreten, es habe ein eindeutiger Zustellungsauftrag bezogen auf die Ausfertigung der Urkunde vorgelegen, dem der Streithelfer zuwider nur eine beglaubigte Abschrift zugestellt habe. Bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Zustellungsauftrages wären sie Erben des A geworden. Es bestünde daher ein Schadensersatzanspruch, der sich aus dem Wert des Nachlasses abzüglich Verbindlichkeiten und Steuern zu- sammensetze und auch die Kosten des Prozesses gegen Rechtsanwältin P um- fasse.

Die Kläger haben in erster Instanz beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zu 1). 22.080,98 EUR, an den Kläger zu 2). 20.537,07 EUR und an die Klägerin zu 3). 20.537,07 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10.4.2014 zu zahlen,

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Kläger sämtliche Verfahrenskosten aus dem Verf...

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