Leitsatz (amtlich)
1. Ein Fahrschüler unterliegt grundsätzlich keiner StVG-Haftung. Ihn trifft jedoch ggü. dritten Verkehrsteilnehmern die allgemeine Verschuldenshaftung, wenn er einen Fahrfehler begeht, den er auch unter Berücksichtigung seiner Ausbildungssituation nach Maßgabe seines subjektiven Wissens und Könnens unschwer hätte vermeiden können (hier Beginn des Linksabbiegens, obwohl zunächst wegen des herannahenden Fahrzeugs an der Mittellinie gehalten wurde).
2. An die Pflicht des Fahrlehrers, seinen Fahrschüler ständig im Auge zu behalten und seine Fahrweise sorgfältig zu überwachen, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Naht auf der Gegenfahrbahn in schnellem Tempo ein anderer Pkw, muss der Fahrlehrer durch genaues Beobachten darauf achten, dass der Fahrschüler den deshalb bereits an der Mittellinie eingenommenen Haltestand des Schulfahrzeugs bis zur Vorbeifahrt des entgegenkommenden Pkw beibehält. Er muss bereits in dem Augenblick, in dem sich der Fahrschüler situationswidrig anschickt, die typischen einer Wiederanfahrt vorausgehenden Bedienungsbewegungen zu machen, sofort eingreifen, um eine solche Wiederanfahrt schon vor ihrem bewegungsmäßigen Beginn zu vermeiden.
3. Allein der Umstand, dass ein an der Mittellinie haltendes Fahrzeug als Fahrschulfahrzeug gekennzeichnet ist, begründet noch keine erhöhte Sorgfaltspflicht des Gegenverkehrs.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 13.05.2002; Aktenzeichen 5 O 282/01) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 5. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Koblenz vom 13.5.2002 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagten tragen die Kosten der Berufung als Gesamtschuldner.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Am 7.10.2000 gegen 14.40 Uhr befuhr der Kläger mit seinem Pkw aus Richtung W. kommend die K 73. Aus der entgegengesetzten Richtung kommend fuhr auf der anderen Fahrbahn die damals 23 1/2 Jahre alte Beklagte zu 1) als Fahrschülerin des Beklagten zu 2) mit dessen Pkw, dessen Haftpflichtversicherer die Beklagte zu 3) ist. Sie sollte in eine links einmündende Straße in Richtung G. abbiegen. Sie setzte den Blinker nach links und ordnete sich ordnungsgemäß neben der Mittellinie ein. Dabei hielt sie zunächst an, da sie von vorne kommend ein rotes Auto (des Klägers) sah, begann aber dann mit dem Abbiegen. Nach einer nur kurzen Rollstrecke hielt der Pkw wieder an, nachdem der zweitbeklagte Fahrlehrer die weitere Ausführung des Linksabbiegevorgangs durch einen eigenen Bremseingriff verhindert hatte. Der Kläger, der sein Fahrzeug stark abgebremst hatte, geriet, ohne dass es zu einer Kollision mit dem Fahrzeug der Beklagten kam, ins Schleudern und kam von der Fahrbahn nach rechts ab.
Er hat von den Beklagten als Gesamtschuldnern vollen Ersatz seines unfallbedingten Schadens i.H.v. insgesamt 6.339,49 Euro verlangt und hierzu vorgetragen: Die Beklagte zu 1) habe den Abbiegevorgang begonnen, ohne auf ihn zu achten, und habe dabei auch die Mittellinie überfahren. Als er dies erkannt habe, habe er stark gebremst und sei deshalb ins Schleudern geraten.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und im Wesentlichen vorgetragen: Die Beklagte zu 1) habe zwar zum Abbiegen angesetzt, als der Beklagte zu 2) erkannt habe, dass sich das Fahrzeug des Klägers mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit von mehr als 100 km/h genähert habe. Dieser habe deshalb aber das Fahrzeug sofort durch Betätigen des Bremspedals zum Stehen gebracht, so dass es nach einem nur leichten Anfahren noch nicht über den Mittelstreifen der Fahrbahn hinausgekommen sei. Der Kläger habe die Situation falsch eingeschätzt und sei deshalb davon ausgegangen, dass der Abbiegevorgang durchgeführt werden würde. Aufgrund seiner überhöhten Geschwindigkeit und seiner Überreaktion sei es zu dem Unfall gekommen, so dass der Kläger seinen Schaden selbst tragen müsse.
Das LG hat gemäß Beschluss vom 8.1.2002 (Bl. 42-44 d.A.) zu Ursache und Hergang des Verkehrsunfalls den Zeugen D. vernommen, der zur Unfallzeit rd. 16 1/2 Jahre alt war und als weiterer Fahrschüler mit im Pkw der Beklagten zu 1) bzw. 2) saß.
Sodann hat das LG durch Urteil vom 13.5.2002 die Beklagten gesamtschuldnerisch zum Ersatz von 75 % des dem Kläger entstandenen Schadens verurteilt. Es geht von einer schuldhaften Vorfahrtverletzung der Beklagten zu 1) und 2) aus, durch die der Verkehrsunfall ganz überwiegend verursacht worden sei. Den Kläger treffe lediglich eine Gefährdungshaftungsquote von 25 %.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Sie halten die Annahme des LG, es liege eine Vorfahrtverletzung durch einen Linksabbieger vor, für unrichtig, weil ihr Wagen tatsächlich nicht über die Fahrbahnmitte hinaus gefahren sei; Letzteres habe auch der Kläger selbst nicht behauptet.
Die Beklagten beantragen, das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen,
hilfsweise,
ihnen Vollstreckungsnachlass zu gewähren.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuw...