Leitsatz (amtlich)
1. Dass die von Veranstaltungen in einem Dorfgemeinschaftshaus ausgehenden Lärmbelästigungen der Nachbarn wesentlich und daher zu unterlassen sind, ist bei Überschreitung der für die Örtlichkeit geltenden Vorgaben der TA-Lärm indiziert.
Die Indizwirkung kann nur durch besondere Umstände aufgehoben sein.
2. Zum Geräuschgrenzwert in einem allgemeinen Wohngebiet und zur Berechnung der maßgeblichen Schallpegel.
Normenkette
BGB §§ 903, 906, 1004; BauNVO §§ 4, 6; BImSchG § 66 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 03.01.2001; Aktenzeichen 16 O 72/99) |
Tenor
1. Auf die Anschlussberufung der Kläger wird die Beklagte in Abänderung des Urteils der 16. Zivilkammer des LG Koblenz vom 3.1.2001 verurteilt, in ihrem Dorfgemeinschaftshaus keine Veranstaltungen durchzuführen oder durchführen zu lassen, soweit dadurch am Wohnhaus der Kläger in der Nachtzeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr ein Immisionsswert (Beurteilungspegel nach Nr. 2.10 TA Lärm) von 40 dB (A) überschritten wird. Ausgenommen sind lediglich kurzzeitige Geräuschspitzen, die in der vorgenannten Zeit bis 60 dB (A) reichen dürfen.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
3. Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer eines Einfamilienhauses in dörflicher Umgebung, die sich nach dem erstinstanzlichen Vorbringen der Parteien als Mischgebiet darstellt. Südlich des Hauses, das einen Grundstücksgrenzabstand von ungefähr 10 m hat, befindet sich mit einem Grenzabstand von seinerseits etwa 5 m ein Gemeinschaftsgebäude der beklagten Ortsgemeinde. Sein zentraler Teil erstreckt sich längsförmig in west-östlicher Richtung. An dessen beiden Enden schließen sich, rechtwinklig abgehend, jeweils nach Süden weisende Seitenflügel an.
Während der östliche Flügel einen Kindergarten beherbergt, ist im westlichen Flügel, dem an seiner äußeren Längsseite eine Parkplatzreihe vorgelagert ist, ein Saal untergebracht, in dem 162 Personen an Tischen Platz finden können. Im Zentralteil des Gemeinschaftsgebäudes liegen zum einen Funktionsräume für den Saal, darunter zunächst ein unmittelbar angeschlossener Thekenbereich, und zum anderen Verwaltungsräume der Beklagten. Der Saal hat an seinem Nordende, das zum Grundstück der Kläger gewandt ist, keine Fenster. Im Thekenbereich befindet sich jedoch eine Tür, über die ein Anlieferungsweg erreicht wird, der nach Westen hin entlang der Grundstücksgrenze verläuft.
Ob das Dorfgemeinschaftsgebäude bereits früher als das Haus der Kläger existierte, ist streitig. Einigkeit besteht allerdings darüber, dass die Parkplätze vor dem Saal, der Anlieferungsweg und die zur Saaltheke führende Tür erst 1995 und damit zu einer Zeit geschaffen wurden, als das Haus der Kläger schon stand. Seither finden in dem Saal an Wochenenden verstärkt Veranstaltungen statt. Dabei handelt es sich überwiegend um private Feiern, daneben aber auch um Vereinsfeste oder um Musikveranstaltungen.
Durch den Lärm, der davon ausgeht, fühlen sich die Kläger gestört. Ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, dass sie dieserhalb 1997 anstrengten, führte zu keiner für sie dauerhaft befriedigenden Lösung. Sie haben deshalb mit der vorliegenden, zu Beginn des Jahres 1999 erhobenen Klage eine Verurteilung der Beklagten dahin erstrebt, im Gemeinschaftsgebäude keine Veranstaltungen abzuhalten, bei denen ab 22.00 Uhr an ihrem Wohnhaus – nach der TA Lärm ermittelte – Immissionsrichtwerte von 45 dB (A) oder kurzzeitige Geräuschspitzen von 65 dB (A) überschritten werden.
Die Beklagte hat eine erhebliche Lärmbelästigung in Abrede gestellt und im Übrigen vorgebracht, dass sie zwischenzeitlich eine Fülle von Vorkehrungen getroffen habe, die die Einhaltung der im Klageantrag angegebenen Geräuschgrenzwerte sicherstelle. Dazu gehörten das Verbot von Disco-Veranstaltungen und Techno-Partys, die Sperrung der Parkplatzreihe sowie die Schließung der Saalfenster und der Tür zum Anlieferungsweg.
Das LG hat einen Sachverständigen befragt, der – im Einverständnis der Parteien unangekündigt – im Juni 2000 Messungen vor dem Haus der Kläger vornahm, als im Gemeinschaftsgebäude eine Hochzeitsfeier stattfand. Der Sachverständige ermittelte dabei für die Zeit von 22.00 Uhr bis 23.00 Uhr in Anlehnung an die TA Lärm einen Immissionsrichtwert von 50,7 dB (A) und in der Zeit von 23.00 Uhr bis 24.00 Uhr einen Wert von 49,2 dB (A). Vor diesem Hintergrund gab das LG der Klage statt.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung und erstrebt die Abweisung der Klage. Sie bringt vor, dass das von dem Sachverständigen mitgeteilte Ergebnis auf verfehlten Berechnungen und unzulässigen subjektiven Wertungen beruhe. Unabhängig davon seien die Grenzwerte der TA Lärm kein endgültiger Beurteilungsmaßstab...