Entscheidungsstichwort (Thema)
Abwehr- und Entschädigungsansprüche bei Gewerbelärm (Industrieanlage)
Normenkette
BGB § 906 Abs. 1; BImSchG §§ 4 ff.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 22.10.1997; Aktenzeichen 15 O 395/94) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des LG Koblenz vom 22.10.1997 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
I. Der Kläger ist Eigentümer des Wohnhauses T.-Weg 52 in M. In unmittelbarer Nähe stehen noch weitere Wohnhäuser. Ein Bebauungsplan existiert nur für die auf anderer Seite des T.-Wegs stehenden Häuser. Das Gebiet ist als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen.
In unmittelbarer Nähe zum klägerischen Grundstück betreibt die Beklagte eine Papierfabrik auf einem ca. 100.000 qm großen Betriebsgrundstück. Ein Bebauungsplan existiert für das gesamte Gebiet nicht. Im Flächennutzungsplan ist das Gebiet, auf dem das Betriebsgrundstück der Beklagten liegt, als "G.-Gebiet" ausgewiesen, im Wirtschaftsplan der Stadt M und der hieraus entwickelten Baupolizeiverordnung von 1959 (GA 27-30) ist es als Industriegebiet bezeichnet.
An der Grenze des Betriebsgrundstücks wurde in den Jahren 1993/94 eine Schallschutzwand errichtet.
Der Kläger hat vorgetragen, von dem Betrieb der Papierfabrik gingen unzumutbare Geräuschimmissionen aus. Mit der vorliegenden Klage hat er die Verurteilung der Beklagten zur Durchführung weiterer Lärmschutzmaßnahmen und zur Zahlung von Schadensersatz verlangt.
Der Kläger hat vorgetragen: In dem Gebiet, in dem sich das Hausgrundstück des Klägers befinde, seien ausschließlich oder doch zumindest vorwiegend Wohnungen untergebracht, weswegen er entsprechend der TA Lärm (1968) lediglich Lärmimmissionen von tagsüber 50 dB(A) oder 55 dB(A) und nachts nur 35 dB(A) oder 40 dB(A) zu dulden bräuchte. Wenn ein Mittelwert gebildet werden müsse, dürfe dieser nachts höchstens 40 dB(A) betragen. Diese Werte würden vom Betrieb der Beklagten trotz der seit 1994 vorhandenen Schallschutzwand wesentlich überschritten. So betrage nach einer Messung des staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes vom 29.6.1994 (GA 8-10) der Beurteilungspegel tagsüber 53 dB(A) und nachts 50 dB(A). Selbst wenn man - wie das staatliche Gewerbeaufsichtsamt - einen zulässigen Beurteilungspegel von 45 dB(A) nachts zugrunde legen würde, würde dieser deutlich überschritten. Hierdurch würde die Nutzung des klägerischen Grundstücks wesentlich beeinträchtigt.
Der Kläger meint, gegen die Beklagte für die behauptete Nutzungsbeeinträchtigung seit Oktober 1991 einen Schadensersatzanspruch zu haben.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, durch den Einbau von Lärmminderungsmaßnahmen in ihrem Unternehmen zu verhindern, dass der Lärm in dem Wohnhaus T.-Weg 52 und 54 die Immissionsrichtwerte gemäß der TA Lärm 55 dB(A) tagsüber und 35 dB(A) nachts nicht überschreitet,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ab Oktober 1994 monatlich 1.400 DM bis zur Fertigstellung der unter 1. beantragten Lärmminderungsmaßnahmen zu zahlen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 50.400 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit dieser Klage zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen: Das Grundstück des Klägers liege in einem Gebiet, welches von seinem Charakter her als Mischgebiet anzusehen sei. Da vorliegend Gebiete von unterschiedlicher Qualität und Schutzwürdigkeit aneinander grenzten, sei die Grundstücksnutzung mit einer speziellen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet. Weil die Immissionsrichtwerte der TA Lärm solche Situationen nicht erfassten, müsse ein Mittelwert gebildet werden, der nachts bei 48 dB(A) liegen müsse. Durch von ihr bereits getroffene Lärmschutzmaßnahmen werde nachts sogar ein Immissionsrichtwert von 45 dB(A) eingehalten.
Das Messprotokoll des staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes über die Messung vom 29.6.1994 beweise nichts Gegenteiliges, da zur Zeit der Messung auch die unmittelbar an das Betriebsgelände der Beklagten angrenzende Firma N. produziert habe und das Messprotokoll nicht ausweise, welche Geräusche der Firma N. und welche Geräusche der Beklagten zuzuordnen seien. Zudem seien auch Verkehrsgeräusche in die Messung eingegangen und ein Einzeltonzuschlag sei nicht gerechtfertigt.
Die Zahlungsanträge hält die Beklagte schon deshalb für unbegründet, weil dem eigenen Vortrag des Klägers zufolge die von ihm behaupteten Geräuschimmissionen durch geeignete Maßnahmen verhindert werden könnten. Im Übrigen bestreitet sie die Höhe der vom Kläger behaupteten Minderung des Wohnmietwertes.
Das LG hat Beweis erhoben gemäß den Beweisbeschlüssen vom 27.9. und 20.12.1995 (GA 64 f. und 86 f.) durch Augenscheinseinnahme anlässlich einer Ort...