Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Verkehrssicherungspflicht des Bauunternehmers im Obergeschoss eines Rohbaus
Leitsatz (amtlich)
In das Obergeschoss eines Rohbaus ohne Innentreppen ist in Zeiten der Arbeitsruhe kein Verkehr eröffnet, den der Bauunternehmer sichern müsste. Das gilt auch dann, wenn das Obergeschoss durch Hochklettern an einem Außengerüst erreichbar ist (hier: Bauherr klettert über das Gerüst bis zum Obergeschoss und stürzt im Inneren durch die nicht gesicherten Treppenöffnungen in den Keller).
Normenkette
BGB §§ 249, 253-254, 276, 280, 631, 823, 831
Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 31.07.2013; Aktenzeichen 4 O 260/09) |
Tenor
1. Die Berufung gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Trier vom 31.7.2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch die Beklagten gegen Sicherheits-leistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen
Gründe
I. Der 1978 geborene Kläger nimmt die Beklagten wegen eines Baustellenunfalls auf materiellen und immateriellen Schadensersatz in Anspruch. Daneben möchte er die Ersatzpflicht der Beklagten für entsprechende Zukunftsschäden festgestellt haben.
Zu dem Unfall kam es am Freitag, dem 3.8.2007, zwischen 13.30 Uhr und 14.10 Uhr im Rohbau, den der Kläger als Bauherr von der erstbeklagten Baufirma als Hauptunternehmerin auf seinem Grundstück in K. hatte errichten lassen. Den Zweitbeklagten hatte die Erstbeklagte mit der örtlichen Bauleitung betraut.
Am Unfalltag waren die Treppenöffnungen im Rohbau nicht gesichert; der Einbau der Treppen stand noch aus. Die für den Rohbau verantwortliche Subunternehmerin der Erstbeklagten hatte ihre Arbeiten Ende Juli 2007 abgeschlossen und bei der sodann erfolgten Räumung der Baustelle auch die Holzbohlen entfernt, mit denen zuvor die Treppenöffnungen in den Betondecken verschlossen waren.
Innenarbeiten standen Anfang August 2007 nicht an; das Dach wurde gedeckt. Dafür war der Bau außen eingerüstet, damit die Dachdecker über dieses Gerüst an ihren Arbeitsplatz gelangen konnten. Am Unfalltag waren sie jedoch nicht vor Ort (Bl. 23 d.A. 8014 Js 19964/07 StA Trier). Eine innere Gerüstleiter, über die man von ebener Erde auf die erste Gerüstebene hätte steigen können, war nicht vorhanden.
Am Tag vor dem Unfall hatte der Kläger Familienangehörigen seine Absicht mitgeteilt, am 3.8.2007 die Baustelle aufzusuchen, weil er befürchtete, die Erstbeklagte bzw. deren Subunternehmerin habe eine Wand des Bades im ersten Obergeschoss nicht dem Bauplan entsprechend errichtet.
Am Unfalltag fand der Fahrer eines Baustofflieferanten, der wegen des auf der Straßenseite behindernd abgestellten Pkw. des Klägers zweimal gehupt hatte, den Kläger gegen 14.10 Uhr schwerstverletzt im Keller des Rohbaus; er war ersichtlich durch die ungesicherten Treppenöffnungen dorthin gestürzt. Die näheren Umstände des Unfalls sind unklar, weil der Kläger sich aufgrund seiner bei dem Sturz erlittenen schwersten Kopfverletzungen weder verbal noch in sonstiger Weise mitteilen kann. Die ermittelnden Polizeibeamten fanden auf der Brüstung des Badezimmerfensters im ersten Obergeschoss einen Bauplan, ein Bandmaß und einen Kugelschreiber aus dem Besitz des Klägers (Bl. 22 d.A. 8014 Js 19964/07 StA Trier und BB Seite 12 - Bl. 399 GA).
Nachdem der durch seine Betreuerin vertretene Kläger zunächst behauptet hatte, aus dem Obergeschoss zwei Stockwerke tief in den Keller gestürzt zu sein, hat er später vorgetragen, er sei entweder vom Obergeschoss oder vom Erdgeschoss durch die dortige Treppenöffnung in den Keller gefallen. Der Kläger meint, beide Beklagten seien schadensersatzpflichtig, weil sie die Treppenöffnungen nicht ge-sichert hätten. Mit einem Betreten der Baustelle durch den Bauherrn oder andere berechtigte, aber auch unberechtigte Personen sei jederzeit zu rechnen gewesen. Der Kläger hat der für die Rohbauarbeiten und die Beseitigung der Holzbohlen in den Treppenöffnungen verantwortlichen Subunternehmerin und deren örtlichem Bauleiter den Streit verkündet; ein Beitritt ist nicht erfolgt.
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Der Kläger sei in Kenntnis der Gefahrenlage und unter Missachtung jedweder Eigensorgfalt außen an den senkrechten Gerüststangen emporgestiegen, um auf die erste Gerüstebene zu gelangen. Von dort sei er auf der vorhandenen Leiter zwischen erster und zweiter Gerüstebene auf diese emporgestiegen und durch ein Fenster im ersten Obergeschoss in den Rohbau geklettert. Im Obergeschoss habe der Kläger nichts zu suchen gehabt; im Übrigen sei die Gefahrenlage offensichtlich gewesen. Infolge Unaufmerksamkeit sei er durch die Treppenöffnung gestürzt. Sie - Beklagte - hätten darauf vertrauen dürfen, dass die mit den Rohbauarbeiten betraute erfahrene und verlässliche Subunternehmerin nach Fertigstellung ihrer Arbeiten die Baustelle nicht unter Beseitigung sämtlicher Sic...