Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Haftung des Rechtsanwalts, der den vertraglichen Gewährleistungsanspruch einer Partei verjähren lässt, die das mangelhafte Grundstück behalten will
Leitsatz (amtlich)
1. Lässt ein Rechtsanwalt den Gewährleistungsanspruch einer Partei verjähren, die das mangelhafte Grundstück schon bei Beauftragung des Anwalts behalten wollte, ist er nicht verpflichtet, dem Mandanten Maklerkosten, Notarkosten, Grunderwerbsteuer, Gerichtskosten (Grundbuchamt) und Grundsteuer zu erstatten.
2. Im Anwaltsregressprozess ist der Mandant für seinen Schaden darlegungs- und beweispflichtig. Der Anwalt darf den Schaden daher pauschal bestreiten.
3. Täuscht ein Anwalt seine Partei bewusst, indem er ihr vorspiegelt, das (tatsächlich gar nicht eingeleitete) gerichtliche Verfahren nehme wegen Überlastung des Gerichts und mehrerer Richterwechsel keinen Fortgang, ist dadurch hinreichend belegt, dass er sie nicht auf den Regressanspruch und die insoweit maßgebliche Verjährungsfrist hingewiesen hat. Dass der Mandant im Haftpflichtprozess nicht ausdrücklich den Sekundäranspruch geltend macht, ist unschädlich.
4. Bedenken gegen die in anwaltlichen Empfangsbekenntnissen bescheinigten Zustellungsdaten führen nur dann zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels, wenn nach Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen feststeht, dass die maßgebliche Frist nicht gewahrt ist.
Normenkette
BGB §§ 249, 276, 463, 675; ZPO § 138 Abs. 4, § 282; BRAO § 51b; ZPO § 212a
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil
der 9. Zivilkammer des LG Mainz vom 11.8.2000 teilweise geändert:
Wegen des Schadensersatzbegehrens von
a. 3.737,50 DM (Maklerkosten),
b. 820,98 DM (Notarkosten),
c. 1.300 DM (Grunderwerbsteuer),
d. 30 DM (Verwaltungsgebühren),
e. 1.160 DM (Gerichtskosten)
f. 1.193,70 DM (Notarkosten für Grundschuld)
g. 150,14 DM (Grundsteuer)
(mithin insgesamt: 8.392,32 DM) wird die Klage abgewiesen.
2. Die Berufung des Beklagten gegen das genannte Urteil wird zurückgewiesen, soweit er verurteilt ist, an die Kläger 60.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 14.4.1999 sowie weitere 6.292,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1.8.1999 zu zahlen.
3. Wegen des darüber hinausgehenden Begehrens ist die Klage (soweit nicht unter 1. abgewiesen) dem Grunde nach gerechtfertigt; auch insoweit wird die Berufung zurückgewiesen.
4. Im Übrigen wird das Urteil mit dem zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Berufungsverfahrens – an das LG Mainz zurückverwiesen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit von 75.000 DM abwenden, sofern nicht die Kläger vor der Vollstreckung entsprechende Sicherheit leisten.
Tatbestand
Die Kläger nehmen den beklagten Rechtsanwalt wegen Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages auf Schadensersatz in Anspruch. Sie werfen ihm vor, er habe einen kaufvertraglichen Gewährleistungsanspruch verjähren lassen. Dadurch sei ihnen ein Schaden von insgesamt 108.964,83 DM entstanden.
Dem liegt im einzelnen folgender Sachverhalt zugrunde:
Durch notariellen Vertrag vom 29.7.1993 erwarben die Kläger von Frau E.H. (im folgenden: Verkäuferin) ein 1.000 Quadratmeter großes Grundstück, das im Vertrag als „Ackerland” bezeichnet ist (Blatt 12 GA). An anderer Stelle des Vertrages heißt es, die Verkäuferin gewährleiste, „dass der verkaufte Grundbesitz mit Wohnhausbebauung bebaut werden darf” (Blatt 20 GA).
Der Quadratmeterpreis betrug 65 DM.
Nach Zahlung des Kaufpreises und Eigentumsübergang scheiterte die geplante Wohnbebauung, weil eine Baugenehmigung nicht erteilt werden konnte. Das Grundstück liegt im unbeplanten Außenbereich (Blatt 32/33 GA).
Mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen beauftragten die Kläger daher im Juli 1994 den Beklagten. Unter dem 19.4.1995 fertigte er einen an das LG Kaiserslautern adressierten Klageentwurf, der eine Schadensersatzforderung nach § 463 BGB zum Gegenstand hat. Das Grundstück wollten die Kläger nach dem Klageentwurf (Blatt 36 bis 40 GA) behalten. Im Oktober 1995 forderte der Beklagte von den Klägern einen Gerichts- und Anwaltskostenvorschuß von insgesamt 6.292,50 DM (Blatt 41/42 GA), der auch gezahlt wurde. Gleichwohl unternahm der Beklagte auch in der Folgezeit nichts. Unter dem 13.8.1997 (Bl. 46 GA) schrieb er den Klägern, er habe wegen der Terminierung in ihrem Rechtsstreit mit dem „Kollegen in Kaiserslautern” erneut Rücksprache gehalten, man habe ihn auf „die Überlastung des Gerichts” und „Verzögerungen wegen Richterwechsels” hingewiesen.
Nach Einschaltung anderer Anwälte Mitte 1998 ergab sich, dass der Beklagte den Klageentwurf nicht bei Gericht eingereicht hatte und die Gewährleistungsansprüche der Kläger zwischenzeitlich verjährt und daher nicht mehr durchsetzbar waren.
Die Kläger haben vorgetragen, durch die vom Beklagten versäumte Klageerhebung sei ihnen der eingangs genannte Schaden entstanden (vgl. zur Bezifferung Blatt 5– GA).
Der B...