Entscheidungsstichwort (Thema)

Stufenklage um Pflichtteilsansprüche: Inzidentprüfung der Abstammung eines Pflichtteilsberechtigten. zeitgleiche Geltendmachung von Auskunfts- und Wertermittlungsansprüchen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Räumt der Gesetzgeber den Kindern des Erblassers bewusst kein Recht ein, eine Vaterschaftsanfechtungsklage erheben zu dürfen, kann ihnen diese Möglichkeit auch nicht faktisch durch eine Inzidentprüfung der Abstammung des Pflichtteilsberechtigten vom Erblasser im Rahmen eines gegen sie als Erben geführten Rechtsstreits um den Pflichtteilsanspruch eröffnet werden.(Rz. 25)

2. Bei den Ansprüchen auf Auskunft und Wertermittlung handelt es sich um zwei voneinander unabhängige Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten. Diese beiden Ansprüche können nicht zeitgleich erfolgreich geltend gemacht werden, da sie untereinander in einem - schon zeitlich bedingten - Stufenverhältnis stehen.(Rz. 30)

 

Normenkette

BGB §§ 1599-1600, 2303, 2314

 

Verfahrensgang

BGH (Urteil vom 19.06.2013; Aktenzeichen IV ZR 370/12)

LG Koblenz (Urteil vom 09.06.2011; Aktenzeichen 9 O 256/10)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil der 9. Zivilkammer des LG Koblenz vom 9.6.2011 - 9 O 256/10, teilweise abgeändert und in seinem Tenor zu 1. wie folgt neu gefasst:

"Die Beklagten werden als Gesamtschuldnerinnen verurteilt, dem Kläger über den Bestand des Nachlasses des am ... 4.1940 geborenen und am ... 6.2006 verstorbenen ... [A] durch Vorlage eines Verzeichnisses der Nachlassgegenstände, der Nachlassverbindlichkeiten und der Schenkungen des Erblassers an Dritte seit dem 13.10.2003 Auskunft zu erteilen."

2. Soweit der Kläger zugleich mit dem unter Ziff. 1 aufgeführten Auskunftsanspruch eine Verurteilung der Beklagten zur Ermittlung der Werte der Nachlassgegenstände beantragt hat, wird die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen.

3. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

4. Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

5. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens gesamtschuldnerisch zu 1/4, der Kläger zu 3/4 zu tragen.

6. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 40.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger darf eine gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten seit Jahren über das (Nicht-)Bestehen von erbrechtlichen Ansprüchen des Klägers in Bezug auf den - u.a. verschiedene Unternehmensbeteiligungen sowie weitere erhebliche Vermögenswerte umfassenden - Nachlass des am ... 6.2006 verstorbenen ... [A]. Im vorliegenden Rechtsstreit macht der Kläger im Wege einer Stufenklage einen Pflichtteilsanspruch geltend.

Die Beklagten sind die ehelichen Töchter des Erblassers und - auf Grundlage eines Testamentes vom 18.8.2003 - dessen Erbinnen. Mit Urkunde vom 24.10.2003 hatte der Erblasser für den am 12.10.2003 geborenen Kläger die Vaterschaft anerkannt. Ein am 6.4.2005 erstattetes, an den Erblasser übersandtes (privates) Vaterschaftsgutachten gelangte zu dem Ergebnis, dass der Erblasser als der biologische Vater des Beklagten "mit 100 % Wahrscheinlichkeit auszuschließen" sei.

Am 16.7.2005 fiel der Erblasser in Folge einer Gehirnblutung ins Koma, aus welchem er bis zu seinem Tod nicht mehr erwachte. Gestützt auf eine ihm im Jahr 1996 erteilte notarielle Generalvollmacht ließ der Bruder des Erblassers am 7.9.2005 für diesen eine Vaterschaftsanfechtungsklage einreichen. Das angerufene AG München ordnete am 15.9.2005 die Einholung eines DNA-Gutachtens an. Nachdem die Mutter des Beklagten in dessen Namen rechtliche Einwände erhoben und eine Mitwirkung an der Durchführung des Beweisbeschlusses verweigert hatte, erließ das AG am 21.11.2005 einen Vorführungsbefehl sowie am 10.5.2006 ein Zwischenurteil, durch welches die Weigerung des Beklagten sowie dessen gesetzlicher Vertreterin, an der Durchführung des Beweisbeschlusses vom 15.9.2005 mitzuwirken, insbesondere die Entnahme von Blutproben zu dulden, für rechtswidrig erklärt wurde. Gegen dieses Zwischenurteil legte der hiesige Kläger Rechtsmittel ein; im Laufe der Berufungsinstanz verstarb der Erblasser.

In der Folgezeit erklärte der Kläger die Anfechtung des Testaments vom 18.8.2003. Parallel hierzu erhob die Beklagte zu 1) negative Feststellungsklage gegen den hiesigen Kläger mit welcher sie vorrangig die Feststellung begehrte, dass der Kläger nicht Abkömmling und damit nicht pflichtteilsberechtigt gegenüber der Erbengemeinschaft nach dem Erblasser sei, hilfsweise die Feststellung, dass der Kläger nicht (Mit-)Erbe nach dem Erblasser geworden sei. Durch zwischenzeitlich rechtskräftiges Teilurteil vom 29.8.2007 (Bl. 117 - 124 d.A.) wies das LG ...

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