Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 8 O 285/21)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 01.07.2022 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die beklagte Motorenherstellerin (im Folgenden: Beklagte) auf Schadensersatz wegen des Vorwurfs der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung in Anspruch.

Der Kläger erwarb am 05.10.2016 ein Gebrauchtfahrzeug ...[A] ..., Baujahr 2016 mit Erstzulassung zum 30.03.2016, Fahrzeug-Identifizierungsnummer ... mit einem Tachostand von 10 km bei der ...[B] in ...[Z] zum Kaufpreis von 23.944,35 EUR, das mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Dieselmotor des Typs EA 288 ausgestattet ist (vgl. Anlage K1, LG zu 100). Das Fahrzeug ist in die Schadstoffklasse EU 6 eingestuft.

Zur Reduktion des Stickoxidausstoßes ist der streitgegenständliche Pkw werksseitig mit einem System zur Abgasrückführung (AGR) und mit einem NOx-Speicherkatalysator (NSK) ausgerüstet. Bei der Abgasrückführung wird ein Teil der Abgase zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Die Abgasrückführung wird unter anderem in Abhängigkeit von der Außentemperatur zurückgefahren (sog. Thermofenster). In die Motorsteuerung ist eine Software implementiert, welche mittels einer sog. Fahrkurvenerkennung die Vorkonditionierung (Precon) des Fahrzeugs für die Messung auf dem Teststand im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) erkennt.

Das streitgegenständliche Fahrzeug ist nicht von einem Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) betroffen.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands einschließlich der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Deliktische Ansprüche seien zu verneinen, weil keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB) durch die Beklagte gegeben sei und auch die Voraussetzungen anderer deliktischer Haftungstatbestände nicht erfüllt seien. Darüber hinaus sei dem Kläger kein Schaden entstanden, da trotz mehrfacher Prüfung des Motortyps durch das KBA kein Rückruf erfolgt sei. Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er insbesondere geltend macht, bei der im Motor bzw. der Motorsteuerung seines Fahrzeugs implementierten Fahrkurvenerkennung handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Hierdurch werde der NEFZ-Prüfstand erkannt und der NSK manipuliert, so dass die Grenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten würden. Das KBA sei hierüber durch die Beklagte arglistig getäuscht worden. Das Landgericht habe den Vortrag der Klägerseite hierzu im Schriftsatz vom 28.05.2022 (LG 187 ff.) übergangen. Ferner sei das On-Board-Diagnose-System (OBD-System) manipuliert und stelle ebenfalls eine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Der Verbau dieser unzulässigen Abschalteinrichtungen durch die Beklagte rechtfertige entgegen den Ausführungen des Landgerichts den Vorwurf der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung. Das Landgericht habe die Substantiierungsanforderungen überspannt und sowohl einen Anspruch aus § 826 BGB als auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB und aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1, 27 Abs. 1 EG-FGV unrichtigerweise verneint.

Soweit mit der Klage darüber hinaus geltend gemacht wurde, bei dem in dem Motor verwendeten Thermofenster handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung, wird dies mit der Berufung nicht weiterverfolgt (vgl. Protokoll der Berufungsverhandlung vom 09.03.2023, OLG 174).

Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 05.10.2022 (OLG 11 ff.) sowie den Schriftsatz des Klägervertreters vom 20.02.2023 (OLG 119 ff.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerschaft 20.642,39 EUR (Kaufpreis abzüglich der Nutzungsentschädigung mit Kilometerstand zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz) abzüglich einer weiter zu berechnenden, vom Gericht auf Basis einer Gesamtlaufleistung von zumindest 300.000 km zu schätzenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Zugrundelegung des Kilometerstandes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu za...

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