Normenkette
BGB § 675; FamFG § 275
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Urteil vom 28.05.2013; Aktenzeichen 4 O 140/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Bad Kreuznach vom 28.5.2013 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 28.6.2013 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 5.271,84 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für das Jahr seit dem 24.10.2012 zu zahlen.
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, zu dulden, dass die Klägerin aus dem vollstreckbaren Titel gegen den Beklagten zu 1) wegen Anwaltsvergütung in die von ihr verwalteten Nachlassgegenstände, insbesondere die Grundstücke ... [X] in ... [Y], Darlehen für die ... [A] nebst Zinseinnahmen und die Bankguthaben bei der Sparkasse ... [Z] vollstreckt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen jeweils zur Hälfte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Darstellung tatsächlicher Feststellungen bedarf es nicht, weil ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist (§§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 313a Abs. 1 Satz 1, 543 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).
II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil ist hinsichtlich der Klageanträge zu 1) und 2) teilweise abzuändern und der Klage insoweit in vollem Umfang stattzugeben. Soweit die Klägerin auch ihre Klageanträge zu 3) und 4) zunächst mit der Berufung weiterverfolgt hat, hat sie ihr Rechtsmittel in der Berufungsverhandlung zurückgenommen.
A) Klageantrag zu 1) 4
Die Klägerin hat - über den vom LG bereits zugesprochenen Betrag von 586,08 EUR nebst Zinsen hinaus - gegen den Beklagten zu 1) Anspruch auf Zahlung weiterer Anwaltsvergütung gem. §§ 675, 611, 1922 Abs. 1 BGB i.H.v. 4.685,76 EUR, insgesamt 5.271,84 EUR nebst Zinsen. Der Beklagte zu 1) schuldet die Anwaltsvergütung als Erbe nach seiner verstorbenen Mutter ... [C] (im Folgenden auch: Erblasserin oder Betroffene).
1. Zwischen der Klägerin und der damals unter Betreuung stehenden ... [C] sind im Zeitraum zwischen Februar 2010 und November 2010 mehrere wirksame Anwaltsverträge zustande gekommen, die sich auf die anwaltliche Vertretung im Betreuungsverfahren beziehen.
Frau ... [C] hat der Klägerin mit Datum vom 13.4.2010 eine umfassende Vollmacht in Betreuungsangelegenheiten erteilt (Anlage K1 = GA 8), auf deren Grundlage die Klägerin in verschiedenen Betreuungsangelegenheiten für die Erblasserin tätig geworden ist. Diese anwaltlichen Tätigkeiten hat die Klägerin mit den Rechnungen vom 14.9.2010, 1.7.2010, 15.7.2010, 14.9.2010 und 23.12.2010 (Rechnungsnummern: 10-0164, 10-0165, 10-180, 10-237, 10-238, 10-239 und 10-339) i.H.v. insgesamt 5.271,84 EUR abgerechnet. Der Klägerin steht der Anspruch in der geltend gemachten Höhe zu.
a) Zwischen der Klägerin und der Erblasserin sind die jeweiligen Geschäftsbesorgungsverträge wirksam zustande gekommen.
aa) Die Klägerin hat im ersten Rechtszug in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 2.4.2013 im Einzelnen dargelegt, dass ... [C] ihr in der jeweils abgerechneten Angelegenheit den Auftrag zur anwaltlichen Vertretung erteilt hat. Dieser Darstellung haben die Beklagten nachfolgend, auch im Berufungsverfahren, nicht widersprochen.
bb) Die jeweilige Auftragserteilung ist auch als wirksam anzusehen.
Es kann dahinstehen, ob ... [C] im Zeitpunkt der jeweiligen Auftragserteilung noch geschäftsfähig war (vgl. § 104 Nr. 2 BGB) und ob der Abschluss der jeweiligen Anwaltsverträge dem vom AG Bad Kreuznach angeordneten Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) im Aufgabenkreis "Vermögenssorge" unterfiel. Zwar ist nach § 105 Abs. 1 BGB die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen nichtig. Jedoch folgt aus § 275 FamFG, dass der Betroffene in Betreuungssachen einen Rechtsanwalt auch dann wirksam mit der anwaltlichen Vertretung beauftragen kann (§ 675 BGB), wenn nach materiellem Recht der Anwaltsvertrag wegen Fehlens der Geschäftsfähigkeit nicht wirksam geschlossen werden könnte.
(1) Nach § 275 FamFG ist in Betreuungssachen der Betroffene ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig. Der BGH hat durch Beschluss vom 30.10.2013 (XII ZB 317/13; diese und die folgenden Entscheidungen zitiert nach juris) entschieden, dass der Betroffene in Betreuungssachen als verfahrensfähig anzusehen ist, ohne dass es auf seine Fähigkeit ankommt, einen natürlichen Willen zu bilden, und dass die Verfahrensfähigkeit auch die Befugnis umfasst, einen Verfahrensbevollmächtigten zu bestellen, also eine wirksame Vollmacht für das Betreuungsverfahren zu erteilen.
(2) Ist der Betroffene nach § 275 FamFG fähig, einem Rechtsanwalt zur anwaltlichen Vertretung Vollmacht zu erteilen, ist es folgerichtig, aus dieser Vorschrift auch die Rechtsfolge zu entnehmen, dass der Betroffene ungeachtet seiner etwaigen Geschäftsunfähigkeit und eines Einwilligungsvorbehalts die rechtliche Befugnis...