Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein städtisches Grundstück im Wege eines "Auslobungsverfahrens" zum Erwerb angeboten, so finden zwar die Vorschriften über eine öffentliche Ausschreibung keine Anwendung; es kommt allerdings ein Schuldverhältnis zwischen Stadt und dem Bieter zustande.
2. Die auslobende Stadt ist verpflichtet, die grundsätzlich geltenden und die selbst gesetzten Verfahrensregeln einzuhalten, die Gleichbehandlung der Teilnehmer, Transparenz und Rücksichtsnahme sicherzustellen.
3. Die Auslobende darf für ihre Entscheidung nicht Kriterien als entscheidend zu Grunde legen, die sich aus dem umfangreichen Auslobungstext für den Bieter nicht ergeben (hier Villenbebauung vs. Mehrfamilienhaus).
4. Der nicht berücksichtigte Bieter (mit dem deutlichen Höchstgebot) kann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Fortsetzung des Auslobungsverfahrens auch dann verhindern, wenn noch kein formell ordnungsgemäßes Angebot für den Grundstückserwerb vorliegt.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 8 O 175/16) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 16. Dezember 2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil wie auch das angefochtene sind vorläufig vollstreckbar.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 16. Dezember 2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil wie auch das angefochtene sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin (Klägerin und Berufungsbeklagte) beteiligte sich an einem von der Verfügungsbeklagten (Beklagte und Berufungsklägerin) durchgeführten Auslobungsverfahren, betreffend die Veräußerung zweier innerstädtischer, zum Teil bebauter Grundstücke in K. Die Beklagte wandte sich hierzu im Jahre 2015 an die Öffentlichkeit wegen der beabsichtigten Veräußerung der Grundstücke, auf denen sich die Hochbunkeranlage aus dem Zweiten Weltkrieg befindet. Diese Grundstücke sollten zum Zwecke der zivilbaulichen Nachnutzung von der Beklagten veräußert werden. Hierzu veröffentlichte die Beklagte einen 13-seitigen Auslobungstext (Anlage K1), in dessen Ziffer 31 unter der Überschrift: Hinweise zum Auswahl- und Zuschlagsverfahren, es heißt:
"Bei dieser Auslobung handelt es sich nicht um eine öffentliche Ausschreibung, bei dem das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag erhält. Das Auswahlverfahren obliegt den kommunalen Gremien. In der Kombination von städtebaulicher Lösung, Nutzungsstruktur, Synergie- und Folgeeffekten und Kaufpreis wird die Entscheidung getroffen werden."
In dem Auslobungstext werden weitere Hinweis auf die vorhandene Bebauung und spätere Nutzungsmöglichkeiten sowie auf die Preisvorstellung in Höhe von 870.000 EUR (Kaufpreis) gegeben. Einen konkreten Hinweis auf eine mögliche künftige Nutzung für einen Mehrwohnungsbau enthält der Text nicht.
Unter dem 11. September 2015 reichte die Verfügungsklägerin ein Kaufangebot mit einem Gebot von 1.215.000 EUR bei der Beklagten ein. Dieses Gebot beinhaltet eine Bebauung der Grundstücke mit einer großzügigen modernen Luxusvilla, die der Behausung einer Familie dienen und bei dem die bestehende Hochbunkeranlage abgerissen werden soll (Anlage K2). Nach Nachbesserungen und Vorstellung des Projektes, Konzeptes beschloss der Stadtrat der Beklagten am 21. April 2016, dem Angebot der Klägerin nicht näher treten zu wollen. Bevorzugt wurde statt dessen das Angebot eines anderen Bieters, das bei teilweisem Erhalt der bestehenden Hochbunkeranlage eine Mehrwohnungsbebauung auf dem Gelände vorsieht (Anlage B7).
Auf Antrag der Klägerin hat das Landgericht sodann folgende einstweilige Verfügung durch Beschluss vom 9. Juni 2016 erlassen:
1. Der Antragsgegnerin wird es einstweilen bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache untersagt, das Auslobungsverfahren betreffend die Grundstücke Gemarkung K, Flur 12, Flurstück 2/4 (Größe 1.181 qm) und Flurstück 2/68 (Größe 1.714 qm), Anschrift: G, fortzusetzen und diese Grundstücke auf Grundlage des Auslobungstextes "Auslobung Hochbunker G" zu veräußern.
2. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, angedroht.
Auf den Widerspruch der Beklagten hat das Landgericht die einstweilige Verfügung aufrechterhalten und dies mit eingehenden Ausführungen auch begründet.
Das Landgericht geht von einem vorvertraglichen Vertrauensverhältnis aus, wobei die öffentliche Verwaltung (Beklagte) zur Gleichbehandlung der Teilnehmer, Transparenz und Rücksichtnahme verpflichtet ist. Aus diesem vorvertraglichen Vertrauensverhältnis folgt für das Landgericht auch ein Unterlassungsanspruch, der eingreift, wenn die oben genannten vorvertraglichen Pflichten zu Lasten des Bieters nicht eingehalten werden. Einen derartigen Pflichtverstoß sieht das Landgericht in...