Leitsatz (amtlich)

1. Voraussetzung für das Vorliegen einer arglistigen Täuschung ist, dass der Versicherungsnehmer mit der wissentlich falschen Angabe von Tatsachen bzw. dem Verschweigen anzeigen- und offenbarungspflichtiger Umstände auf die Entschließung des Versicherers, seinen Versicherungsantrag – hier Berufsunfähigkeitszusatzversicherung – anzunehmen, Einfluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er wahrheitsgemäße Angaben mache. Dabei gibt es keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früheren Behandlungen immer oder nur in der Absicht gemacht zu werden pflegt, auf den Willen des Versicherers Einfluss einzuwirken. Denn häufig werden unrichtige Angaben über den Gesundheitszustand auch aus falsch verstandener Scham, aus Gleichgültigkeit, aus Trägheit oder einfach in der Annahme gemacht, dass die erlittenen Krankheiten bedeutungslos seien. Deshalb muss der Versicherer entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur mit erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde. Da es sich bei dem Bewusstsein des Versicherungsnehmers um eine innere Tatsache handelt, kann in der Praxis der Beweis meist nur durch einen Indizienbeweis geführt werden. Dies bedeutet, dass in der Regel, wenn schwere Erkrankungen oder erkennbar chronische Erkrankungen oder Krankenhausaufenthalte verschwiegen worden sind, ein solches Bewusstsein anzunehmen ist, dagegen beim Verschweigen leichterer Erkrankungen oder solcher, die vom Versicherungsnehmer als solche angesehen werden, der Beweis als nicht geführt angesehen werden muss (in Anknüpfung an BGH VersR 1985, 156, 157; VersR 1987, 91; OLG Koblenz NVersZ 2001, 74; NVersZ 1999, 72 f.; NVersZ 1999, 472 f.).

2. Zu den Voraussetzungen der Beweislast unter Berücksichtigung der „Auge und Ohr-Rechtsprechung” (in Anknüpfung an BGH VersR 1993, 1089; BGHZ 102, 194; 113, 387).

 

Normenkette

VVG § 22

 

Verfahrensgang

LG Trier (Aktenzeichen 11 O 483/99)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 13. Juni 2000 aufgehoben und die Sache an die Kammer zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des Landgerichts vorbehalten.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) in Anspruch.

Der Kläger schloss am 14.03.1989 unter Vermittlung durch den Leiter der Sparkasse in Zell, den Zeugen Horst Steinmetz, bei der Beklagten eine Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ab. In dem Antragsformular, welches der Zeuge Steinmetz ausfüllte, nachdem er die Fragen mit dem Kläger einzeln durchgesprochen hatte und welches vom Kläger sodann unterschrieben wurde, ist die Frage danach, ob der Antragsteller zur Zeit vollkommen gesund sei, mit „ja” beantwortet. Auch die Frage nach ärztlichen Untersuchungen, Beratungen oder Behandlungen in den letzten fünf Jahren ist mit „ja” beantwortet. Nach den Angaben im Antragsformular fand im Jahr 1988 eine Routineuntersuchung bei dem Hausarzt des Klägers, Herrn Dr. Wimmer, statt, die im Ergebnis „ohne Befund” blieb.

Tatsächlich litt der Kläger seit ca. 1984 an „Diabetes mellitus”, was ihm auch bekannt war. Seit 1988 war er insulinpflichtig. In der Zeit vom 17.10. bis zum 08.11.1988, vom 08.02. bis zum 25.02.1989 und in der Zeit vom 05.01. bis zum 19.01.1991 befand sich der Kläger jeweils wegen Diabetes mellitus in stationärer Behandlung. Nachdem der Kläger bei der Beklagten im Dezember 1998 Antrag auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit aufgrund des geschlossenen Vertrags gestellt hatte, focht die Beklagte den geschlossenen Vertrag im Hinblick auf die im Antragsformular nicht angegebene Vorerkrankung „Diabetes mellitus” wegen arglistiger Täuschung mit Schreiben vom 22.03.1999 an und verweigerte die beantragte Leistung unter gleichzeitiger Rückvergütung der durch den Kläger gezahlten Beiträge.

Der Kläger macht geltend, ab 1. Juli 1995 wegen einer Polineuropathie sowie Diabetes mellitus berufsunfähig zu sein, da er seinen erlernten Beruf nur noch weniger als halbschichtig verrichten könne. Der Leiter der Sparkasse habe ihm bei Vertragsschluss im Jahre 1989 auf ausdrückliches Nachfragen erklärt, dass eine Gesundheitsprüfung nicht erforderlich sei. Eine arglistige Täuschung liege nicht vor.

Das Landgericht hat die Klage nach Anhörung des Klägers abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat vorläufigen Erfolg. Das Verfahren des ersten Rechtszuges leidet an einem ...

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