Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Aufklärung vor einem tierärztlichen Eingriff; fehlende Kausalität eines Aufklärungsdefizits; Sorgfaltsmaßstab nach offener Kastration eines Pferdes
Leitsatz (amtlich)
1. Die wirksame Einwilligung in die Operation eines Tiers setzt grundsätzlich nicht voraus, dass der Tierhalter nach den für die Behandlung eines Menschen geltenden Maßstäben über Risiken unterrichtet wird, weil es nur um wirtschaftliche Interessen geht, die allerdings durch die rechtlichen und sittlichen Gebote des Tierschutzes erweitert sind. Der Halter muss daher vom Tierarzt in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung auf Erkenntnisse zu gründen, die seine Operationseinwilligung als Ausfluss einer eigenen wahren inneren Willensbildung erscheinen lassen. Unter diesem Aspekt kann die Operationseinwilligung unwirksam sein, wenn der Tierarzt grundlegende Informationen über statistisch erhebliche Risiken verschweigt, die sich durch die Wahl einer anderen Operationsmethode minimieren lassen (hier: offene oder bedeckte Kastration eines Pferdes - Abgrenzung und Klarstellung zu KG, Urt. v. 24.2.2005 - 20 U 31/04 - in KGReport Berlin 2006, 14-15).
2. Lässt sich nicht feststellen, dass ein postoperativer Zwischenfall bei Wahl der anderen Operationsmethode nicht eingetreten wäre, fehlt es an der Kausalität des Aufklärungsmangels für den eingetretenen Schaden.
3. Darf ein kastriertes Pferd an den Tagen nach dem Eingriff nur in der Gangart "Schritt" bewegt werden, haftet ein Tierarzt auf Schadensersatz, wenn er das Tier auf der Koppel frei laufen lässt mit dem Ergebnis, dass es bei dem Versuch, wieder in den Stall geführt zu werden, scheut, stürzt und infolge des dadurch verursachten Darmvorfalls eingeschläfert werden muss.
Normenkette
BGB §§ 249, 254, 276, 278, 280, 611, 823; TierSchG §§ 2-3; ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Urteil vom 25.04.2012; Aktenzeichen 3 O 424/09) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilkammer des LG Bad Kreuznach vom 25.4.2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1. Der Beklagte ist Tierarzt. Am 30.11.2008 brachte die Klägerin einen ihr gehörenden Hengst in seine Praxis, um das Tier dort kastrieren zu lassen. Der Eingriff erfolgte tags darauf in unbedeckter Methode, d.h. unter vollständiger Eröffnung des Hodensacks, so dass ein freier Zugang zur Bauchhöhle entstand. Alternativ hätte ein bedecktes Verfahren angewandt werden können, bei dem die Hoden von einer dünnen Gewebeschicht ummantelt geblieben wären, so dass das Risiko von Darmvorfällen aus dem Bauchbereich hätte minimiert werden können.
Ob die Klägerin über die beiden unterschiedlichen Vorgehensweisen unterrichtet worden war, ist streitig. Nach der Darstellung des Beklagten war das der Fall: Die Klägerin sei bei einer anderen, im Vorjahr durchgeführten Kastration grundlegend informiert worden, und darauf habe man nunmehr Bezug genommen. Die Klägerin hat das geleugnet und mitgeteilt, bei einer entsprechenden Aufklärung hätte sie sich für ein bedecktes Kastrationsverfahren entschieden.
Am 2.12.2008 verbrachte der Beklagte das Tier auf eine Koppel, um ihm Bewegungsmöglichkeiten zu bieten. Als es von der Koppel in den Stall zurückgeführt werden sollte, ließ es sich nicht greifen, und der Führstrick konnte nicht am Halfter befestigt werden. Gemäß dem Vorbringen der Klägerin enteilte das Pferd durch das geöffnete Koppeltor, nach der Schilderung des Beklagten stieg es auf und versuchte zu fliehen. Unstreitig ist, dass es in der Folge stürzte. Dabei kam es zu einem Darmvorfall. Trotz einer operativen Reposition, der Gabe von Antibiotika und der nachfolgenden Verlegung in eine Pferdeklinik war das Tier nicht mehr zu retten. Es wurde schließlich wegen einer infausten Prognose eingeschläfert.
Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin den Beklagten wegen des mit 15.048 EUR ermittelten Werts des Tiers, der in der Pferdeklinik angefallenen Behandlungskosten von 3.898,13 EUR und vorgerichtlicher Anwaltskosten von 899,40 EUR auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Dem hat das LG nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, der Vernehmung von Zeugen und der Anhörung der Parteien stattgegeben. Die Verurteilung ist mit einem Sorgfaltspflichtverstoß des Beklagten beim Koppelgang des Tiers begründet worden. Es hätte dort ständig am Führstrick gehalten werden müssen. Wäre das geschehen, wäre es entbehrlich gewesen, es vor der Wiederverbringung in den Stall erneut zu greifen, und es hätte den Unfall nicht gegeben.
Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung und erstrebt die Abweisung der Klage. Er bestreitet die Notwendigkeit, dass das Pferd auf der Koppel ununterbrochen unter Kontrolle hätte gehalten werden müssen. Das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten gebe das - entgegen der Annahme des LG - nicht zu erkennen. Zumindest treffe die Klägerin ein erhebliches Mit...