Leitsatz (amtlich)
1. Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag begründet keinen unmittelbaren Rückforderungsanspruch vermeintlicher staatlicher Beihilfen an einen Wettbewerber des Klägers gegen den Beihilfegewährer.
2. Art. 87, 88 Abs. 3 EG-Vertrag stellen Verbotsgesetze im Sine des § 134 BGB, nicht aber Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB dar.
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Urteil vom 16.05.2007; Aktenzeichen 2 O 441/06) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.5.2007 verkündete Urteil des LG Bad Kreuznach - 2 O 441/06 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die weiteren Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Der Gegenstandswert für das Verfahren wird auf 2.000.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt eine kommerzielle Fluggesellschaft. Die Beklagte ist die Betreiberin des Verkehrsflughafens ... Gesellschafter der Beklagten sind überwiegend die ... AG und zu jeweils 17,5 % die Länder Rheinland-Pfalz und Hessen. Die Hauptgesellschafterin der Beklagten, die ... AG ist an der Börse notiert, wobei die Mehrheit der Aktien in der Hand der Bundesrepublik Deutschland, des Landes Hessen und der Stadt Frankfurt liegen.
Der Verkehrsflughafen ... ist aus einem ehemaligen Stützpunkt der Luftstreitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika hervorgegangen. Nach der Aufgabe dieses Stützpunktes wurde die Anlage der zivilen Nutzung zugeführt, wobei in nicht unerheblichem Maße von der Beklagten Baumaßnahmen durchgeführt wurden. Der Betrieb des Flughafens führt - entgegen ursprünglichen Prognosen auch über das Jahr 2006 hinaus - zu jährlichen Verlusten der Beklagten i.H.v. mehreren Millionen Euro, die aufgrund von Ergebnisabführungsverträgen aus den Jahren 1998 und 2000 in der Vergangenheit und aufgrund der derzeitigen Vertragslage auch bis ins Jahr 2014 von der ... AG getragen werden.
Das Passagieraufkommen ist zu einem ganz wesentlichen Teil auf die Tätigkeit der ... Limited zurückzuführen, die als sog. Low Cost Carrier den Flughafen ... als zentralen kontinentalen Knotenpunkt gewählt hat und von hier eine Vielzahl von europäischen Städten und Regionen anfliegt. Grundlage ist ein Vertrag zwischen der ... Limited und der Beklagten. Die Beklagte gewährt der Fluggesellschaft jährliche Zahlungen als "Marketing-Support" oder "Marketing-Förderung" in einer der Klägerin bisher nicht bekannten Höhe. Die Fluggesellschaft ihrerseits zahlt aufgrund einer Entgeltordnung der Beklagten je Passagier ein Entgelt. In der zuletzt maßgeblichen Entgeltsatzung war vorgesehen, dass sich das Entgelt je Passagier ab einer Gesamtpassagierzahl von 3 Millionen Menschen reduziert. Start-, Lande- und Anflugentgelte werden ebenso wenig geschuldet wie ein Entgelt für die Nutzung der zentralen Infrastruktureinrichtungen, weil die Fluggesellschaft ausschließlich Flugzeuge nutzt, die die entsprechenden Ermäßigungstatbestände erfüllen.
Die Klägerin meint:
Die maßgeblichen Entgeltordnungen aus den Jahren 2001 und 2006 sähen für die ... Ltd. ein zu niedriges Entgelt vor, so dass es zwangsläufig zu Verlusten der Beklagten kommen müsse. Die nicht angemessenen Entgelte stellten ebenso wie die Leistung von "Marketing Support" aufgrund der Gesellschafterstruktur staatliche Beihilfen im Sinne der Art. 87, 88 EG-Vertrag dar, die unzulässig seien. Ob diese nach Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG-Vertrag rechtmäßig gewährt werden könnten, bedürfe keiner Entscheidung, weil es hierfür an einer unstreitig nicht vorliegenden Entscheidung der EU-Kommission fehle. Die Erzielung von Gewinnen durch die Beklagte sei auf Dauer nicht absehbar.
Die Klägerin trägt vor:
Die Zahlung des "Marketing Support" erfolge ohne nennenswerte Gegenleistung und sei von einem privaten Investor nicht zu erlangen.
Die Klägerin hat vor dem LG beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Höhe und den Zeitpunkt der in den Jahren 2002, 2003, 2004 und 2005 an die Fluggesellschaft ... Ltd. gezahlten Beträge in Form von "Marketing Support", die aufgrund des Vertrages über den Aufbau der ersten deutschen Basis aus dem Jahr 2001/2002 mit der Fluglinie ... Ltd. entrichtet wurden;
2. die Beklagte zu verurteilen, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern;
3. die Beklagte zu verurteilen, von der ... Ltd. staatliche Beihilfen in Form von "Marketing Support" in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe zzgl. Zinsen für die im Jahre 2002 gewährten Beihilfen i.H.v. 6,32 % ab Auszahlung, für die im Jahre 2003 gewährten Beihilfen i.H.v. 5,44 % ab Auszahlung, für die im Jahre 2004 gewährten Beihilfen i.H.v. 5,24 % ab Auszahlung und für die im Jahre 2005 gewährten Beihilfen i.H.v. 5,04 % ab Auszahlung zurückzufordern;
4. die Beklagte zu verurteilen, von der ... Ltd. staatliche Beihilf...