Verfahrensgang
LG Mainz (Entscheidung vom 17.09.1985; Aktenzeichen 2 O. 140/85) |
Tenor
1.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 17. September 1985 wird zurückgewiesen.
2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt ein angemessenes Schmerzensgeld dafür, daß die bei ihrer zweiten Schwangerschaft ausgetragene Leibesfrucht infolge von unterlassenen ärztlichen Maßnahmen in der 41. Schwangerschaftswoche abstarb und ferner der Fötus - nach Feststellung des Todes - noch einen vollen Tag in ihrem Leib bis zur Einleitung einer künstlichen Geburt verblieb. Sie sieht darin ein pflichtwidriges Unterlassen des Krankenhauspersonals der Erstbeklagten, Trägerin des Stadtkrankenhauses W., und des Zweitbeklagten als zuständigen Stationsarztes.
Die Klägerin lag vom 3.5.1983 bis 7.5.1983 (Übergang von der 36. zur 37. Schwangerschaftswoche) wegen des Verdachts eines vorzeitigen Blasensprungs stationär auf der gleichen Abteilung des Stadtkrankenhauses W. wie später zur Geburt vom 30.5. bis 10.6.1983 (errechneter Termin für die Niederkunft: 1.6.1983). Während des ersten und zweiten Krankenhausaufenthaltes wurden täglich - mit Ausnahme vom 2.5.1983 - bis zum Absterben der Leibesfrucht Cardiotokogramme (CTG) erstellt, mit denen die Herzfrequenz des Fötus registriert wird. Am 5.6.1983 (Sonntag) wurden keine Herztöne mehr aufgezeichnet; sonografisch konnte dann der intra-uterine Fruchttod bestätigt werden. Am folgenden Tag wurde die Geburt des toten Fötus künstlich eingeleitet. Dabei wurde festgestellt, daß eine dreifache Nabelschnurumschlingung sowie ein echter Nabelschnurknoten den Tod der Leibesfrucht bewirkt hatten.
Die Klägerin hat vorgetragen: Aus den vor Feststellung des Fruchttodes angefertigten CTG-Diagrammen - spätestens am 4.6.1983 (Samstag) - sei bereits ein "Nabelschnurproblem" erkennbar gewesen. Zur Rettung der Leibesfrucht seien daher vor dem 5.6.1983 dringend ärztliche Maßnahmen geboten gewesen. Noch anläßlich der CTG-Kontrolle vom 4.6.1983 habe sie die zuständige Krankenhaushebamme auf ausgebliebene Bewegungen der Leibesfrucht hingewiesen; gleichwohl seien ärztliche Untersuchungen unterblieben. Durch den Tod des Kindes und den weiteren Umstand, daß der abgestorbene Fötus ohne die gebotene ärztliche Hilfe (sofortige Einleitung einer künstlichen Geburt) noch einen vollen Tag in ihrem Leib verblieben sei, habe sie unbeschreibliche seelische Schmerzen erlitten.
Die Beklagten haben behauptet, aus den bis einschließlich 4.6.1983 angefertigten CTG-Diagrammen seien keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Leibesfrucht zu erkennen gewesen. Einen Hinweis auf ausgebliebene Bewegungen der Leibesfrucht habe die Klägerin nicht am 4.6, sondern erstmals am 5.6.1983 gegeben. Aus medizinischer Sicht sei es geboten gewesen, nach Feststellung des Fruchttodes am 5.6.1983 noch ca. 24 Stunden abzuwarten, ob eine natürliche Abstoßung der Leibesfrucht erfolgen werde.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 17.9. 1985, auf das zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die Klägerin habe eine Körperverletzung oder einen Gesundheitsschaden nicht schlüssig darzutun vermocht. Schmerz, Trauer oder Niedergeschlagenheit genügten hierfür nicht; vielmehr müsse ein organischer Schaden oder zumindest eine traumatische Verletzung der physischen oder psyschichen Gesundheit - ein sogenannter Schockschaden - vorliegen. Dazu habe die Klägerin aber nichts vorgetragen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren aberkannten Schmerzensgeldanspruch weiter. Sie wendet sich gegen die rechtliche Würdigung des Landgerichts. Im übrigen wiederholt und ergänzt sie ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld - mindestens 20.000,- DM - nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 9.5.1985 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
ihnen die Abwendung der Zwangsvollstreckung, notfalls ohne Sicherheitsleistung, nachzulassen.
Sie halten die Entscheidung des Landgerichts für zutreffend. Im übrigen vertiefen sie ihr früheres Vorbringen und behaupten, der Zweitbeklagte habe am 4.6.1983 überhaupt keinen Dienst gehabt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Partei Vorbringens wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.
Der Senat hat die Krankenhausunterlagen der Klägerin beigezogen und gemäß Beweisbeschluß vom 16.10.1986 (Bl. 87 bis 91) Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Krankenhaushebamme H. S. als Zeugin und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die im Sitzungsprotokoll vom 12.3.1987 enthaltene Niederschrift (Bl. 109 bis 112) und auf das schriftliche Gutachten des Prof. Dr. K. H., T., vom 27.10.1987 (Bl. 121 bis 129...