Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrssicherungspflicht auf einem Flussuferweg
Leitsatz (amtlich)
1. Wird eine 40 cm lange muldenförmige und bis zu 8 cm tiefe Absackung in der Asphaltdecke am äußersten Rand eines Uferweges nicht beseitigt, liegt darin keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.
2. Nutzer eines derartigen Weges müssen damit rechnen, zur Brutzeit von frei lebenden Schwänen attackiert zu werden.
Normenkette
GG Art. 34; BGB §§ 249, 254, 823, 833, 839
Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 01.02.2011; Aktenzeichen 11 O 29/09) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 11. Zivilkammer des LG Trier vom 1.2.2011 teilweise geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger hat materiellen und immateriellen Schadensersatz sowie Feststellung der Ersatzpflicht für Zukunftsschäden begehrt. Er lastet der beklagten Gemeinde eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht an.
Am 27.4.2008 gegen 21.00 Uhr trat der Kläger beim Joggen auf dem Moseluferweg in eine Vertiefung der Asphaltdecke. Er stürzte und zog sich eine Handverletzung zu. Dem vorausgegangen war nach der Darstellung des Klägers der Versuch, einem von links attackierenden Schwan nach rechts auszuweichen, wo die Asphaltdecke muldenförmig auf einer Ausdehnung von ca. 40 cm bis zu einer Tiefe von 8 cm abgesackt war.
Die Beklagte ist dem mit der Behauptung entgegengetreten, der schlechte Zustand der Wegoberfläche sei weithin erkennbar gewesen. Der Unfall beruhe nicht auf dem Angriff des Schwans, sondern der unzureichenden Aufmerksamkeit des Klägers.
Das LG hat Zeugen- und Sachverständigenbeweis erhoben und dem Kläger hiernach unter Abweisung des Feststellungsbegehrens materiellen und immateriellen Schadensersatz zuerkannt. Indem die beklagte Gemeinde die Unebenheit von 8 cm Tiefe nicht beseitigt habe, sei die Verkehrssicherungspflicht verletzt, was auch unfallursächlich gewesen sei.
Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte die umfassende Abweisung der Klage. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht sei nicht gegeben. Mit einer derartigen, weithin sichtbaren muldenförmigen Vertiefung müssten die Nutzer eines Uferpromenadenweges rechnen. Die abweichende Auffassung des LG widerspreche der gefestigten Rechtsprechung des OLG Koblenz. Mangels objektiver Pflichtverletzung komme es auf den konkreten Unfallhergang nicht entscheidend an, der daher nur vorsorglich bestritten bleibe und fortbestehenden durchgreifenden Zweifeln begegne. Letztlich treffe den Kläger ein überwiegendes Mitverschulden.
Der Kläger verteidigt die Entscheidung des LG. Er wiederholt, vertieft und ergänzt seinen erstinstanzlichen Sachvortrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II. Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Klage musste abgewiesen werden, weil die beklagte Gemeinde ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt hat.
Zu dieser Feststellung ist der Senat befugt, weil die eingereichten Fotos die maßgeblichen örtlichen Gegebenheiten, insbesondere die Unfallstelle, hinreichend wiedergeben. Auf den Parteienstreit über Ursache und Hergang des Unfalls kommt es daneben nicht entscheidend an, so dass der Senat insoweit das Beweisergebnis erster Instanz genauso wie das LG würdigt, obwohl die Berufung auch hierzu Angriffe führt, die nicht von der Hand zu weisen sind. Das kann aber dahinstehen, weil der Zustand des Uferpromenadenweges noch hinreichend verkehrssicher war.
Welche Anforderungen insoweit zu stellen sind, entzieht sich jeder Schematisierung. Maßgeblich ist eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Dabei können vor allem die örtliche Verkehrsbedeutung, die Verkehrsbelastung, die Einsehbarkeit etwaiger Gefahrenstellen und Umstände von Bedeutung sein, durch die Verkehrsteilnehmer in ihrer Aufmerksamkeit abgelenkt sein können. Gemessen daran ergibt sich hier folgendes:
Die Unfallstelle ist - in Laufrichtung des Klägers - gut einsehbar. Links des Weges befinden sich Ausgänge der an den Weg grenzenden Grundstücke, die von diesem allerdings durch einen teils mit einer Sitzbank, teils mit einem rechteckigen, erhöhten Blumenbeet versehenen, ca. 1 m breiten Geländestreifen getrennt sind. Rechts des Weges befinden sich ebenfalls rechteckige, erhöhte Blumenkübel, außerdem vereinzelt dichte Nadelholzbepflanzung.
Dass diese örtlichen Verhältnisse am Unfalltag anders waren als bei Fertigung der vorliegenden Fotos, ist nicht aufgezeigt. Falls sich auf dem erwähnten Geländestreifen links des Weges - vom dahinter liegenden Grundstück durch einen Zaun getrennt - ein Schwan aufhielt, muss das Tier für einen Jogger wahrnehmbar gewesen sein, der den Geschehnissen in seiner Laufrichtung die gebotene Aufmerksamkeit schenkte. In der konkreten Situation waren gesteigerte Vorsicht und Sorgfalt erforderlich. Es ist nämlich allgemein bekannt,...