Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldunfall, Abgrenzung zu BGH, NJW 2019, 1809-1813
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Schulunfall mit seinen haftungsreduzierenden Rechtsfolgen aus §§ 2 Abs. 1 Nr. 8b, 104, 106 SGB VII liegt auch dann vor, wenn im Rahmen einer schulischen Veranstaltung (Unterricht, Klassenfahrt, Schulausflug) die aufsichtführenden Lehrer nach einem Unfall (hier Wespenstich) den Schüler versorgen und es hierdurch zu Schädigungen (hier Verbrennung, Entzündung) kommt.
2. Eine Haftung des Schädigers (Lehrers) tritt nur dann ein, wenn er hinsichtlich Verletzungshandlung und Verletzungserfolg vorsätzlich handelt. Der Vorsatz muss sich auf den konkreten ernstlichen Personenschaden beziehen.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 1 O 147/19) |
Tenor
1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 12. Dezember 2019 (Az.: 1 O 147/19) wird zurückgewiesen.
2) Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3) Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der zum Unfallzeitpunkt 14jährige Schüler begehrt von dem beklagten Land Zahlung von Schmerzensgeld aufgrund von Gesundheitsbeeinträchtigungen, die er aufgrund von Behandlungen der bei dem beklagten Land angestellten Lehrer bei einer Klassenfahrt erlitten hat.
Der minderjährige Kläger war als Schüler der Klasse 8b der IGS in der Zeit vom 15. Mai bis 19. Mai 2017 Teilnehmer einer Klassenfahrt im Kreis C (Jugendherberge M). Die Zeugen P und S waren die aufsichtführenden Lehrer auf dieser Klassenfahrt.
Am Nachmittag des 15. Mai 2017 wurde der Kläger von einer Biene oder Wespe im Bereich des Daumengrundgelenks der rechten Hand gestochen. Der herbeigerufene aufsichtführende Lehrer P schlug vor, die Stichverletzung einer Wärmebehandlung zu unterziehen. Er erhitzte mit einem Feuerzeug das Ende eines Gabelgriffes. Anschließend prüfte er die Temperatur des erhitzten Bereiches zwischen seinem Daumen und Zeigefinger und ließ dann die Gabel etwas abkühlen. Mit Einverständnis des Klägers drückte der Zeuge den Griff der Gabel für mehrere Sekunden (3 bis 10) auf den Bereich der Stichverletzung. Anschließend kühlte der Kläger auf Anraten des Zeugen den Stichbereich. Später bildete sich im Bereich der mit der Gabel behandelten Stelle eine Brandblase, woraufhin der Kläger den Zeugen P und die Zeugin S erneut aufsuchte. Auf Vorschlag der Zeugin S stach diese mit einem aus einem Erste-Hilfe-Koffer steril abgepackten Kleinskalpell die Brandblase auf, so dass die darin befindliche Flüssigkeit herauslaufen konnte. Im Anschluss kühlte der Kläger die Wunde weiter mit nassen Waschlappen. Im Zuge dessen löste sich allerdings die Haut auf der Brandwunde vollständig ab. Die Zeugen legten sodann dem Kläger wiederholt einen Verband mit Bepanthen-Salbe an, der mehrfach gewechselt wurde.
Nach Rückkehr von der Klassenfahrt wurde der Kläger von seiner Mutter zu einem Kinderarzt verbracht, der eine 3 × 3 cm große Verbrennungswunde über dem rechten Daumengrundgelenk feststellte. Der Kinderarzt überwies den Kläger sodann in die Klinik Sana Klinikum O, wo er in der Folgezeit weiter behandelt wurde.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.
Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 7.500,00 EUR nebst Zinsen und der begehrten Feststellung, dass der Beklagte alle weiteren Kosten, welche mit dem Tatgeschehen vom 15.05.2017 ursächlich in Zusammenhang stehen, zu tragen hat, abgewiesen.
Es hat entschieden, dass dem Kläger gegen das beklagte Land nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG kein Anspruch auf Schadensersatz in Form von Schmerzensgeld zusteht, da im vorliegenden Fall die gesetzliche Schülerunfallversicherung (§§ 2 Abs. 1 Nr. 8b, 104, 106 SGB VII) eingreife. Auch wenn davon ausgegangen werden könne, dass die bezeichneten Zeugen mit bedingtem Vorsatz gehandelt hätten, so hätten sie jedoch hinsichtlich der Verletzungsfolgen lediglich fahrlässig gehandelt, da es fernliegend sei, dass die Zeugen durch ihr Verhalten die letztlich entstandenen körperlichen Verletzungen zufügen wollten.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er macht im Wesentlichen geltend, dass das Landgericht die Frage des Vorsatzes falsch bewertet habe. Vielmehr sei der Argumentation des Strafgerichtes bei dem Amtsgericht C zu folgen, das im vorliegenden Fall die beiden Zeugen noch wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt hatte. Wenn man insoweit der Billigungslehre des Bundesgerichtshofs folge, müsse man davon ausgehen, dass den Zeugen im vorliegenden Fall völlig klar gewesen sei, dass die von ihnen gewählte Art der Behandlung der Stichverletzung zu entsprechenden Brand- und Infektionsfolgen führen musste. Außerdem sei es unverantwortlich gewesen, nicht sogleich einen Arzt aufzusuchen und die Eltern zu verständigen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Beklagten nach...