Normenkette
VVG § 23 Abs. 1, § 25 Abs. 1; AKB § 12 Nr. 1 Abs. 1b
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 16 O 181/98) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 16. Zivilkammer des LG Koblenz vom 30.7.2001 abgeändert wie folgt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Diebstahls eines Kraftfahrzeuges aus Teilkaskoversicherung in Anspruch.
Der Kläger zeigte am 1.5.1997 die Entwendung des von ihm geleasten Pkw's Renault Megane Coach an. Er gab an, er habe das Fahrzeug noch am 30.4.1997 abends auf dem unbewachten Parkplatz in der I.-Straße in M., der Anschrift seiner damaligen Freundin, gesehen. Feststeht, dass das Fahrzeug am Morgen des 30.4.1997 gegen 9.30 Uhr über die polnisch-russische Grenze verbracht wurde, nachdem die Grenzbehörden den Kfz-Schein kontrolliert hatten. Diesen hatte der Kläger im Pkw hinter der Sonnenblende belassen.
Die Beklagte lehnte die Schadensregulierung wegen widersprüchlicher Angaben des Klägers in der Vorkorrespondenz ab. Der Kläger habe i.Ü. nur einen von zwei Kfz-Schlüsseln übersandt.
Der Kläger entrichtete zwischenzeitlich an die Leasinggesellschaft einen Betrag in Höhe der Klageforderung. Ein gegen ihn eingeleitetes Strafverfahren wegen Vortäuschens einer Straftat und Betrugs wurde nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt.
Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung von 24.403,42 DM in Anspruch genommen. Das LG hat der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
II. Die Berufung ist begründet.
1. Der Anspruch des Klägers auf Teilkaskoentschädigung scheitert zunächst nicht daran, dass der Kläger durch Belassen des Kfz-Scheins hinter der Sonnenblende eine erhebliche Gefahrerhöhung herbeigeführt hat, die zu einer Leistungsbefreiung nach § 23 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 VVG führt. Eine Gefahrerhöhung ist eine nachträgliche Änderung der bei Vertragsschluss tatsächlich vorhandenen gefahrerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalles oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlich macht (Prölss/Martin, VVG Kommentar, 26. Aufl. 1998, § 23 Rz. 4 m.w.N.). Dass ein Dieb mit der Entwendung des Fahrzeugs zugleich in den Besitz des Kfz-Scheins gelangt, bedeutet für ihn unabhängig von Fragen der Diebstahlskausalität als solcher durchaus eine gewisse Erleichterung und damit versicherungsrechtlich eine Verfestigung des Schadens (z.B., wie hier, für einen Grenzübertritt). Zumal angesichts dessen, dass für eine Verwertung der Kfz-Schein ggü. dem Kfz-Brief nur untergeordnete Bedeutung hat und i.Ü. regelmäßig ohnehin gefälschte Fahrzeugpapiere und -daten verwendet werden müssen, hält indes der Senat die Erheblichkeitsschwelle nicht für überschritten, anders als bei dauernder Aufbewahrung eines Zweitschlüssels im Fahrzeug (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 25.4.1997 – 10 U 1437/96, vgl. hierzu Wussow-Mitteilungen 45 Jg. Nr. 30 vom 21.7.1997).
2. Der Senat ist aufgrund der erneuten Beweisaufnahme und Vernehmung des Klägers zur Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht die Mindesttatsachen für das Vorliegen einer Entwendung bewiesen hat.
a) Behauptet der Versicherungsnehmer; sein Pkw sei gestohlen worden, genügt er seiner Beweislast zunächst mit dem Nachweis eines Sachverhalts, der nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lässt, dass die versicherte Sache in einer den Versicherungsbedingungen entspr. Weise entwendet wurde (BGH, Urt. v. 27.4.1977 – IV ZR 79/76, VersR 1977, 610; v. 19.5.1979 – IV ZR 78/77, VersR 1978, 732 f.) Es reicht aus, wenn der Versicherungsnehmer Anzeichen beweist, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das äußere Bild eines versicherten Diebstahls ergeben (BGH, Urt. v. 3.7.1991 – IV ZR 220/90, MDR 1991, 843 = VersR 1991, 1047; v. 5.10.1983 – IVa ZR 19/82, MDR 1984, 209 = VersR 1984, 29; v. 27.11.1980 – IVa ZR 36/80, BGHZ 79, 54 [59] = MDR 1981, 297 = VersR 1981, 345 [346]). Das für das äußere Bild eines Diebstahls erforderliche Mindestmaß an Tatsachen ist im Allgemeinen dann gegeben, wenn der Versicherungsnehmer das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt hat, an dem er es später nicht mehr vorfindet (BGH v. 17.5.1995 – IV ZR 279/94, BGHZ 130, 1 [3] = MDR 1995, 1120 = NJW 1995, 2169; Urt. v. 4.11.1998 – IV ZR 302/97, NJW-RR 1999, 246). Diese Beweiserleichterung für den Versicherungsnehmer entfällt, wenn der Versicherer seinerseits darlegt und ggf. beweist, dass nicht nur hinreichende Wahrscheinlichkeits- oder Verdachtsmomente vorliegen, sondern eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für einen anderen Geschehensablauf besteht. Es müssen konkrete Tatsachen festgestellt werden, welche die Annahme einer Vortäuschung des Versicherungsfalls mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahe legen, wobei ein Minus an Beweisanzeichen ggü. dem üblichen Fall eines Indizienbeweises genügt, um das erforderliche Beweismaß zu erreichen (BGH, Urt. v. 12.4.1989 – IVa ZR 83/88, VersR 1989, ...