Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungsklage eines Vermächtnisnehmers; Auslegung der privatschriftlichen Testamentsklausel, der Bedachte erhalte das Vermächtnis nur zu Lebzeiten
Leitsatz (amtlich)
1. Inhalt sowie gegenwärtige und künftige Rechtswirkungen eines Vermächtnisses kann der Bedachte auch dann feststellen lassen, wenn möglicherweise nur noch Wertersatz- oder Schadensersatzansprüche bestehen, es sei denn der Beschwerte weist nach, dass jedweder Anspruch entfällt.
2. Zur Frage, ob die privatschriftliche Testamentsanordnung, der Bedachte erhalte das Vermächtnis nur "zu Lebzeiten", lediglich die Gesetzeslage des § 2160 BGB wiedergibt oder ob damit das Vermächtnis dem Bedachten "nur auf Lebenszeit" zugewandt ist.
Normenkette
BGB §§ 133, 280-283, 2064, 2084, 2160, 2174, 2190-2191, 2231 Nr. 2, § 2247 Abs. 1; ZPO § 256
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 27.01.2012; Aktenzeichen 8 O 360/07) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Koblenz vom 27.1.2012 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Der Wert des Verfahrens wird in Änderung der landgerichtlichen Streitwertfestsetzung auf 1.200.000 EUR festgesetzt.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass über ein ihm ausgesetztes Vermächtnis er selbst zu Lebzeiten und seine Erben nach seinem Tod frei verfügen können und insoweit kein Rückübertragungsanspruch der Beklagten besteht.
Der Vater der Beklagten verstarb am 8.6.2006. Aufgrund letztwilliger Verfügung des Erblassers vom 18.8.2003 wurde er nach dem vom AG Montabaur erteilten Erbschein vom 28.8.2009 (4 VI 287/07) von den Beklagten nach gleichen Teilen beerbt.
Weiter ist in dem privatschriftlichen Testament verfügt:
"Mein gesamtes Firmenvermögen, dazu gehören auch alle Firmen auf meinen privaten Namen und die teilweise treuhänderisch von Dritten gehalten werden erbt:
51 % Vanessa - Manuele V. (Beklagte zu 1) 22 % Bettina - Nicole V. (Beklagte zu 2) 18 % Uwe V.
5 % Dieter S. (Kläger) 4 % Jürgen W.
Dieter S. erhält das Erbteil nur zu Lebzeiten, es sei denn einer seiner Söhne übernimmt eine führende Rolle in der Fa. V & R."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Testament (Anlage 1 zur Klageschrift) Bezug genommen.
Der Kläger sieht in dem Testament ein unbeschränktes Vermächtnis mit Ersatzvermächtniseinsetzung seiner Söhne (§ 2190 BGB). Das Vermächtnis sei übertragbar und vererblich. Rückübertragungsansprüche stünden den Beklagten auch im Falle seines Todes nicht zu.
Die Beklagten rügen die Unzulässigkeit der Klage, weil das Vermächtnis aus rechtlichen Gründen nicht erfüllt werden könne, und sind im Übrigen der Auffassung, das Testament sei dahin auszulegen, dass dem Kläger das Vermächtnis nur "auf (seine) Lebenszeit" eingeräumt sei. Dies ergebe sich aus Wortlaut und Zweck des Vermächtnisses, den Mentoren und Beratern eine starke Stellung in der Firma einzuräumen.
Das LG hat nach der Vernehmung von Zeugen entsprechend den zuletzt formulierten Klageanträgen festgestellt, dass der Kläger hinsichtlich der ihm vermachten Anteile von jeweils 5 % an allen Gesellschaften, an denen der Erblasser persönlich oder mittelbar durch Treuhänder beteiligt war ("das Firmenvermögen"), keinen vom Erblasser angeordneten B#eschränkungen, Beschwerungen, Belastungen oder Bedingungen unterliegt und sich daher für den Kläger keine Einschränkungen ergeben, über diese Anteile unter Lebenden oder von Todes wegen zu verfügen. Weiter hat es festgestellt, dass den Beklagten oder deren Rechtsnachfolgern im Falle des Todes des Klägers gegen dessen Erben keine Rückübertragungsansprüche hinsichtlich des Vermächtnisses zustehen. Insbesondere sei im Testament kein auf den Tod des Klägers bedingtes Rückvermächtnis zugunsten der Beklagten angeordnet, so dass keine diesbezüglichen Anwartschaftsrechte der Beklagten bestünden. Das LG bejaht das Feststellungsinteresse, da die Übertragbarkeit und die Vererblichkeit des Vermächtnisses in Streit seien. Dass die Erfüllung des Vermächtnisses unmöglich sei, sei rechtskräftig noch nicht festgestellt. Tatsächlich liege auch keine dauerhafte Unmöglichkeit vor. Nach der Beweisaufnahme und der Auslegung des Testamentes ist das LG der Ansicht, dass der Erblasser dem Kläger das Vermächtnis unbeschränkt und dauerhaft habe zuwenden wollen. Das stehe im Einklang damit, dass der Erblasser den Kläger einerseits habe an die Firma binden wollen, andererseits aber auch für die früheren Anstrengungen bedenken und entschädigen wollte. Die Formulierung "zu Lebzeiten" drücke nur den allgemeinen Grundsatz aus, dass nur derjenige etwas durch Vermächtnis erlangen könne, der zum Zeitpunkt des Erbfalls lebe. Andererseits liege darin ein Ersatzvermächtnis. Im Übrigen ergebe sich weder aus der Motivation ...