Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine unbillige Härte nach § 27 VersAusglG bei höheren Anwartschaften aus Kindererziehungszeiten als aus Tätigkeiten im Niedriglohnsektor
Leitsatz (amtlich)
Gemäß § 27 VersAusglG findet der Versorgungsausgleich nur dann ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Eine grobe Unbilligkeit liegt nur vor, wenn im Einzelfall unter Abwägung aller Umstände die rein schematische Durchführung des Ausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanrechten zu gewähren, dem Gerechtigkeitsgedanken in unerträglicher Weise widerspräche (vgl. BT-Drucks. 16/10144, 67; Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 5. Aufl. 2010, § 27 Rz. 1, 13). Im Rahmen der erforderlichen umfassenden Härtefallprüfung sind insbesondere die wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten zu berücksichtigen.
Beruht die Ausgleichspflicht der Antragstellerin letztlich darauf, dass diese durch die Kindererziehungszeiten während der Ehe höhere Anwartschaften erworben hat als der Antragsgegner durch seine Erwerbstätigkeit im Niedriglohnbereich, widerspricht eine Durchführung des Versorgungsausgleichs entsprechend den gesetzlichen Vorschriften nicht der Billigkeit. Ein Ausgleich dieses Wertunterschieds erscheint unter der Zielsetzung einer gleichmäßigen Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanrechten vielmehr geboten.
Normenkette
VersAusglG § 27
Verfahrensgang
AG Bonn (Beschluss vom 03.08.2011; Aktenzeichen 402 F 54/10) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs in dem am 3.8.2011 verkündeten Beschluss - 402 F 54/10 - des AG Bonn - Familiengericht - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Antragstellerin wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. bewilligt.
Gründe
Gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG hat der Senat von einer mündlichen Verhandlung abgesehen, nachdem erstinstanzlich mündlich verhandelt wurde und von einer Verhandlung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten waren.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Gemäß § 1 VersAusglG ist der Versorgungsausgleich durchzuführen. Ein vollständiger oder teilweiser Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG kommt nicht in Betracht.
Gemäß § 27 VersAusglG findet der Versorgungsausgleich nur dann ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Eine grobe Unbilligkeit liegt nur vor, wenn im Einzelfall unter Abwägung aller Umstände die rein schematische Durchführung des Ausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanrechten zu gewähren, dem Gerechtigkeitsgedanken in unerträglicher Weise widerspräche (vgl. BT-Drucks. 16/10144, 67; Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 5. Aufl. 2010, § 27 Rz. 1, 13). Im Rahmen der erforderlichen umfassenden Härtefallprüfung sind insbesondere die wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten zu berücksichtigen.
Allein der Umstand, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs die ausgleichspflichtige Antragstellerin hart trifft, reicht demnach nicht aus. Dass sich die Ausgleichspflicht im Wesentlichen aus Anwartschaften aus Kindererziehungszeiten ergibt, ist nach der Rechtsprechung des BGH ebenfalls für sich genommen kein Grund zum Ausschluss oder zur Herabsetzung des Versorgungsausgleichs (vgl. BGH FamRZ 2007, 1966).
Ein Vergleich der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse spricht vielmehr für eine Durchführung des Versorgungsausgleichs. Nach dem vorliegenden Versicherungsverlauf hat der Antragsgegner zum Ende der Ehezeit nur gesetzliche Rentenanwartschaften i.H.v. insgesamt 190,03 EUR erworben. Demgegenüber verfügt die Antragstellerin zum Ende der Ehezeit über Rentenanwartschaften von 544,05 EUR. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsgegner durch anderweitige Vermögenswerte hinreichend für das Alter abgesichert wäre. Angesichts seiner geringfügigen eigenen Anrechte ist er somit auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs zur Sicherung seines Existenzminimums dringend angewiesen.
Ein persönliches Fehlverhalten des Antragsgegners, das einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs rechtfertigen könnte, ist nicht erkennbar. Es entsprach der Rollenverteilung während der Ehe, dass die Antragstellerin die Kinder und den Haushalt versorgte und der Antragsgegner erwerbstätig war. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass der Antragsgegner während des ehelichen Zusammenlebens seiner Verpflichtung, zum Familienunterhalt beizutragen, nicht hinreichend nachgekommen wäre. In dem Verfahren vor dem AG Bonn - 402 F 227/10 - hat die Antragstellerin selbst vorgetragen, dass der Antragsgegn...