Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtzeitigkeit der Ablehnung eines Sachverständigen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Frist für die Ablehnung des Sachverständigen läuft mit der vom Gericht gesetzten - ggf. auch verlängerten - Frist zur Stellungnahme gem. § 411 Abs. 4 ZPO, wenn sich der Ablehnungsgrund aus dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens ergibt (BGH NJW 2005, 1869).
2. Dies gilt auch dann, wenn mit der Übersendung des schriftlichen Gutachtens keine Fristsetzung verbunden ist, diese aber auf Antrag der Partei zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt.
3. Der Beginn des Zeitraums für eine anzunehmende Frist, innerhalb der ohne schuldhaftes Zögern die Ablehnung erklärt werden kann, bemisst sich nach der Kenntnis des Ablehnungsgrundes. Die Zustellung des schriftlichen Gutachtens bedeutet nicht, dass der Empfänger zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von den sich aus einem schriftlichen Gutachten ergebenden Befangenheitsgründen hat.
Normenkette
ZPO § 406 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 30.07.2012) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Köln vom 30.7.2012 abgeändert.
Das Ablehnungsgesuch der Antragsgegnerin vom 1.12.2011, ergänzt durch die Schriftsätze vom 15.12.2011, 18.1.2012, 16.4.2012,17.4.2012 sowie 26.4.2012, gegen den gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. I. ist begründet.
Gründe
I. Im Rahmen des vorliegenden selbständigen Beweisverfahrens nahm der Sachverständige mit Ergänzungsgutachten vom 21.9.2011 Stellung zu den von den Parteien und einer Streithelferin aufgeworfenen Fragen zu dem vorausgegangenen schriftlichen Erstgutachten des Sachverständigen vom 20.5.2010.
Das Ergänzungsgutachten erhielt die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin am 24.10.2011 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 24.11.2011 bat sie, ihr Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 17.1.2012 zu geben im Hinblick darauf, dass aufgrund anderweitiger beruflicher Belastung die Vorbereitung der Stellungnahme erst in der zweiten Dezemberhälfte in Angriff nehmen könne. Dem entsprach das LG mit Beschluss vom 29.11.2011.
Mit Schriftsatz vom 21.11.2011 stellte die Streithelferin T S GmbH ein Befangenheitsgesuch gegen den Sachverständigen im Hinblick auf einige in dem Ergänzungsgutachten enthaltene Äußerungen. Nach Erhalt dieses Schriftsatzes stellte die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin ihrerseits mit 35-seitigem Schriftsatz vom 1.12.2011 ein gegen den Sachverständigen gerichtetes Ablehnungsgesuch, das in der Folgezeit durch weitere Befangenheitsanträge in Reaktion auf Stellungnahmen des Sachverständigen erweitert wurde.
Mit Beschluss vom 30.7.2012 hat das LG die Ablehnungsgesuche der Antragsgegnerin und der Streithelferin als unbegründet zurückgewiesen. Wegen der Begründung der Entscheidung wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen. Gegen den am 2.8.2012 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin mit bei Gericht am 13.8.2012 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt, der das LG nicht abgeholfen hat.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Der Ablehnungsantrag der Antragsgegnerin vom 1.12.2011 ist, wie auch das LG angenommen hat, fristgerecht gestellt.
Nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag grundsätzlich spätestens binnen zwei Wochen nach der Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen anzubringen. Ergeben sich die Gründe, auf die die Ablehnung des Sachverständigen gestützt wird, aus dessen Gutachten, ist nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur auf Satz 2 von Abs. 2 des § 406 ZPO abzustellen, auch wenn dieser sich auf den ersten Blick auf Satz 1 bezieht, der die Ablehnung wegen bereits im Zeitpunkt der Ernennung vorhandener Ausschließungsgründe betrifft. Die Ablehnungsgründe sollen in diesem Falle nicht binnen einer kalendermäßigen Frist, sondern - in entsprechender Anwendung des § 121 Abs. 1 Nr. 1 BGB - grundsätzlich unverzüglich nach Kenntnis des Gutachtens geltend gemacht werden (BGH NJW 2005, 1869; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 406 Rz. 11). Das bedeutet, dass der Ablehnungsantrag zwar nicht sofort, wohl aber ohne schuldhaftes Zögern, das heißt innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist anzubringen ist (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 71. Aufl., § 121 Rz. 3). Zugleich hat der Antragsteller glaubhaft zu machen, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. In einem einfach gelagerten Fall können bereits wenige Tage ausreichend sein, um die das Ablehnungsgesuch stützenden Tatsachen zu erkennen und vorzutragen. Hingegen kann sich die Frist je nach Sachlage verlängern, wenn der Ablehnungsgrund erst nach sorgfältiger Prüfung des Gutachtens zu erkennen ist.
Der BGH hat am 15.3.2005 - VI ZB 74/04 - (NJW 2005, 1869) entschieden, dass dann, wenn sich der Grund zur Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit aus dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens ergibt, in der R...