Leitsatz (amtlich)
1. Die gesetzliche Vermutung des § 44 S. 2 StPO findet keine Anwendung, wenn eine erforderliche Rechtsmittelbelehrung unterbleibt, weil der Angeklagte vor Beendigung der Hauptverhandlung eigenmächtig den Sitzungssaal verlässt. Er muss sich die daraus ergebende Unkenntnis als eigenes Verschulden zurechnen lassen.
2. Das Gericht ist in einem solchen Fall nicht verpflichtet, eine Rechtsmittelbelehrung schriftlich nachzuholen.
Verfahrensgang
LG Bonn (Entscheidung vom 25.09.2009; Aktenzeichen 25 Ns 21/09) |
LG Bonn (Entscheidung vom 21.04.2009; Aktenzeichen 25 Ns 21/09) |
Tenor
Die sofortigen Beschwerden werden verworfen.
Die Kosten der Beschwerdeverfahren fallen dem Beschwerdeführer zur Last.
Gründe
I.
Nach Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Bonn vom 27.10.2008 - Cs 331 Js 486/08 - ist er durch Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 06.01.2009 - 74 Cs 447/08 - wegen Beleidigung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,00 € verurteilt worden.
Auf die hiergegen eingelegte Berufung ist er nach Einstellung von zwei Fällen der Beleidigung durch Urteil der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bonn vom 25.02.2009 - 25 Ns 21/09 - wegen Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,00 € verurteilt worden. Darüber hinaus sind ihm zur Hälfte die Kosten des Verfahrens auferlegt worden.
Nach Verkündung des Urteilstenors und der Kostenentscheidung verließ der Beschwerdeführer laut schimpfend den Sitzungssaal und schmiss dabei lautstark die Türe hinter sich zu. Daraufhin ist in der Sitzung gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 150 Euro verhängt worden. Der Beschluss des Landgerichts Bonn vom 25.09.2009 - 25 Ns 21/09 - ist dem Beschwerdeführer samt dem Urteil am 10.03.2009 zugestellt worden.
Mit Schreiben vom 16.03.2009 hat der Beschwerdeführer gegen das Urteil Revision eingelegt, welche mit Beschluss des Landgerichts Bonn vom 21.04.2009 - 25 Ns 21/09 - als unzulässig verworfen worden ist.
Weiterhin hat er mit einem am selben Tage bei Gericht eingegangenen Schreiben vom 16.03.2009 gegen die Auferlegung der Kosten in dem Berufungsurteil, sowie mit einem am 17.03.2009 bei Gericht eingegangenen Schreiben vom 16.03.2009 gegen die Festsetzung des Ordnungsgeldes sofortige Beschwerde eingelegt.
II.
1. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist bereits unzulässig.
Sie ist zwar statthaft, aber nicht fristgerecht eingelegt.
a. Nach § 464 Abs. 3 StPO ist gegen die Entscheidung über die Kosten und Auslagen die sofortige Beschwerde statthaft. Sie wird auch nicht dadurch unstatthaft, dass die von dem Beschwerdeführer zusätzlich eingelegte Revision gegen das Urteil zwischenzeitlich mit Beschluss des Landgerichts Bonn vom 21.04.2009 als unzulässig verworfen worden ist (Gieg in Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Auflage, § 464, Rdn. 8). Denn das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde sowie die Rechtsmittel der Berufung und Revision stehen selbstständig nebeneinander und haben unterschiedliche Inhalte zum Gegenstand.
b. Die sofortige Beschwerde ist aber nicht fristgerecht eingelegt worden.
Nach § 311 Abs. 2 StPO ist die sofortige Beschwerde binnen einer Woche ab Bekanntmachung der anzufechtenden Entscheidung einzulegen. Wann eine Entscheidung bekannt gemacht ist, richtet sich nach § 35 StPO. Danach werden Entscheidungen, die in Anwesenheit der davon betroffenen Person ergehen, durch Verkündung, solche, die in Abwesenheit der betroffenen Person ergehen, durch Zustellung bekannt gemacht.
Die angefochtene Kostenentscheidung ist in Anwesenheit des Beschwerdeführers bekannt gemacht worden, da dieser bei Verkündung des Urteilstenors sowie der Kostenentscheidung noch im Sitzungssaal der Berufungshauptverhandlung zugegen war.
Somit war für den Fristbeginn der 25.02.2009 maßgeblich. Die Wochenfrist endete nach § 43 Abs. 1 StPO folglich mit Ablauf des 04.03.2009. Die Eingabe des Beschwerdeführers vom 16.03.2009 erfolgte damit verspätet.
c. Dem Beschwerdeführer war auch nicht von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 44 S. 1 StPO zu gewähren, denn er hat die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht ohne sein Verschulden versäumt.
Die gesetzliche Vermutung des § 44 S. 2 StPO kommt ihm nicht zugute. Nach dieser Vorschrift ist die Versäumung einer Rechtsmittelfrist dann als unverschuldet anzusehen, wenn eine erforderliche Rechtsmittelbelehrung unterblieben ist. Ausweislich des Protokolls ist zwar keine Rechtsmittelbelehrung erteilt worden. Dies ist aber allein auf darauf zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer den Sitzungssaal eigenmächtig vor der Urteilsbegründung verlassen hat. Ob dieses Verhalten als bewusster Verzicht auf die Rechtsmittelbelehrung ausgelegt werden kann, - aus der Verhandlung vor dem Amtsgericht wusste er, dass nach der Urteilsverkündung eine Rechtsmittelbelehrung erteilt wird - kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls hat er die Erteilung der Rechtsmi...