Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Sorgerechtsentzug bei durchgehender Mitwirkung in allen wesentlichen Kindesbelangen
Leitsatz (amtlich)
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass es dem Kindeswohl am besten entspricht, wenn beide Elternteile auch nach der Trennung noch Verantwortung für ihre gemeinsamen Kinder tragen. Dies entspricht zum Einen der elterlichen Verantwortung und zum Anderen auch dem Kindeswohl, weil hierdurch das Kind am anschaulichsten erfährt, dass auch der Elternteil, bei dem es nicht seinen Aufenthaltsort hat, Sorge für seine Entwicklung träg.
Nur dann, wenn gravierende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich die getrenntlebenden Elternteile nicht über die wesentlichen Belange ihrer Kinder einigen können und auch nicht bereit sind, unter Zuhilfenahme Dritter gemeinsam zum Wohle des Kindes zu handeln, kommt unter Kindeswohlgesichtspunkten eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den antragstellenden Elternteil in Betracht.
Allein der Vorwurf, der antragsgegnerische Elternteil habe sich in der Vergangenheit wenig um das bei dem antragstellenden Elternteil lebende Kind gekümmert, rechtfertigt noch keine Entziehung der elterlichen Sorge insgesamt bzw. von Teilbereichen.
Ergibt sich vielmehr aus dem Vortrag der Beteiligten, dass der Elternteil, bei dem das Kind nicht seinen Lebensmittelpunkt hat, weit gehend in allen wesentlichen Belangen der elterlichen Sorge mitgewirkt bzw. die Entscheidung des anderen Elternteils mitgetragen hat, ist kein Raum für einen Sorgerechtsentzug nach § 1671 Abs. 2 Ziff. 2 BGB, wenn nicht andere Kindeswohlbelange entgegenstehen.
Normenkette
BGB § 1671 Abs. 2 Ziff. 2
Verfahrensgang
AG Eschweiler (Beschluss vom 11.03.2011; Aktenzeichen 11 F 253/09) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Eschweiler vom 11.3.2011 - 11 F 253/09 - wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
II. Der Antrag der Antragstellerin, ihr zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
III. Dem Antragsgegner wird zur Rechtsverteidigung im vorliegenden Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ratenfrei unter Beiordnung der Rechtsanwälte der Anwaltskanzlei T., H., L-C., D. in U. bewilligt.
Gründe
I. Die gem. §§ 621e, 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - befristete Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Familiengericht mit überzeugender Begründung den Antrag der Antragstellerin, ihr die alleinige elterliche Sorge für die Bereiche Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und schulische Angelegenheiten für das Kind V. F., geboren am 23.10.2003, zu übertragen, zurückgewiesen.
Auf vorliegendes Verfahren findet gem. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch altes Verfahrensrecht nach den Vorschriften des FGG bzw. der ZPO in der Fassung bis zum 31.8.2009 Anwendung, da vorliegendes Verfahren vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden ist.
Die insoweit zulässige befristete Beschwerde nach § 621e ZPO hat indes in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Übertragung der Teilbereiche der elterlichen Sorge wie von der Antragstellerin beantragt liegen nicht vor. Leben die Eltern - wie vorliegend - getrennt, so ist auf Antrag einem Elternteil die elterliche Sorge insgesamt oder ein Teil der elterlichen Sorge allein zu übertragen, wenn der andere Elternteil dem Antrag zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung oder wenn nach § 1671 Abs. 2 Ziff. 2 BGB die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller - hier die Kindesmutter - dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Da der Kindesvater dem Antrag der Kindesmutter nicht zugestimmt hat, käme vorliegend allenfalls eine Übertragung der begehrten Teilbereiche der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter nach § 1671 Abs. 2 Ziff. 2 BGB in Betracht. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass die Übertragung der von der Antragstellerin genannten Teilbereiche der elterlichen Sorge auf sie alleine kindeswohldienlich ist. Letztlich ist davon auszugehen, dass es dem Kindeswohl am besten entspricht, wenn beide Elternteile auch nach der Trennung noch Verantwortung für ihre gemeinsamen Kinder tragen. Dies entspricht zum Einen der elterlichen Verantwortung und zum Anderen auch dem Kindeswohl, weil hierdurch das Kind am anschaulichsten erfährt, dass auch der Elternteil, bei dem es nicht seinen Aufenthaltsort hat, Sorge für seine Entwicklung trägt.
Nur dann, wenn gravierende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich die getrenntlebenden Elternteile nicht über die wesentlichen Belange ihrer Kinder einigen können und auch nicht bereit sind, unter Zuhilfenahme Dritter gemeinsam zum Wohle des Kindes zu handeln, kommt unter Kindeswohlgesichtspunkten eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den antragstellenden Elternteil in Betracht. So liegen die Verhältnisse vorliegend indes nicht. Allein der von der Kindesmutter genannte Umstand...