Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzklage im Zusammenhang mit dem sog. Diesel-Abgasskandal: Substantiierungsanforderungen bei Behauptung einer unzulässigen Abschalteinrichtung
Leitsatz (amtlich)
1. Wird die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung behauptet, sind greifbare Anhaltspunkte nicht erst dann gegeben, wenn das Kraftfahrtbundesamt auch bezüglich Fahrzeugen des konkreten Fahrzeugtyps eine Rückrufaktion angeordnet hat. Wenn indes der Motor bereits beim Kraftfahrtbundesamt vorgestellt und ergebnislos mit Blick auf einen Rückruf untersucht worden ist, müssen weitere greifbare Anhaltspunkte für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorgetragen werden. (Rn. 8)
2. Die bloße Behauptung, weil in den Fällen des Motors EA189 bzw. in anderen Motorengruppen Manipulationssoftware verwendet worden sei, müsse hiervon auch für den im Fahrzeug verbauten Motor ausgegangen werden, ist substanzlos und kein greifbarer Anhaltspunkt. Angebote eines Softwareupdates im Rahmen freiwilliger Serviceaktionen lassen ebenso wenig greifbar auf Manipulationen rückschließen. (Rn. 8)
3. Bei einem Automobilhersteller, der weder in die Herstellung noch die Entwicklung des im Fahrzeug verbauten Motors nebst Motorsteuerungssoftware involviert gewesen ist, kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der Vorstand, jedenfalls aber die Mitarbeiter des oberen Managements Kenntnis von dem Einsatz der Software zur Motorsteuerung und ihrer Funktionsweise hatten. (Rn. 16)
Normenkette
BGB §§ 31, 826
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 31.03.2020; Aktenzeichen 30 O 81/19) |
Tenor
1. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 31.03.2020 verkündete Urteil der 30. Zivilkammer des Landgerichts Köln - Az. 30 O 81/19 - gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.
Gründe
I. Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 II 1 Nr. 1 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 I ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 II 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 II 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 II 1 Nr. 4 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage aus den zutreffenden Gründen, auf die der Senat ausdrücklich Bezug nimmt, als unbegründet abgewiesen und einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte verneint. Die Berufung, mit der sich der Kläger gegen die Abweisung seiner Klage wendet, gibt aus Sicht des Senates ergänzend nur zu folgenden Ausführungen Anlass:
Soweit der Kläger die Beklagte als Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeuges in Anspruch nimmt, hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage des vom Kläger unterbreiteten Sachverhalts Ansprüche des Klägers zu Recht und mit zutreffender Begründung verneint. Insoweit kommen in Ermangelung unmittelbarer vertraglicher Beziehungen zwischen dem Kläger und der Beklagten nur deliktische Ansprüche des Klägers in Betracht, §§ 826, 31 BGB bzw. 823 Abs. 2, 263 StGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 VO 715/2007/EG.
1. Ein Anspruch nach §§ 826, 31 BGB wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung des Klägers besteht nicht.
Nach § 826 BGB ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt.
a. Aus Sicht des Senats hat der Kläger schon nicht hinreichend dargetan, dass es zu einer Schadenszufügung gekommen ist, die auf einer schädigenden Handlung beruht, die aus objektiver Sicht als sittenwidrig einzustufen ist. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkender verstößt. Dafür genügt nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19, juris Rn. 15 m. w. N. aus der Rspr.). Das auf der Grundlage einer strategischen unternehmerischen Entscheidung unter bewusster Missachtung gesundheits- und umweltschützender Rechtsvorschriften erfolgende fortgesetzte Herstellen und Inverkehrbringen bemakelter, von einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung bedrohter Fahrzeuge, deren Typgenehmigung durch eine Täuschung der zuständigen Behörde erschlichen worden war, stellt im Verhältnis zu den arglosen Fahr...