Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 1 O 269/18) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - Az. 1 O 269/18 - einschließlich des ihm ab dem 06.03.2019 zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Bonn zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten bleibt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte nach einem PKW-Kauf im Zusammenhang mit dem sogenannten Diesel-Abgasskandal.
Der Kläger erwarb am 13.10.2014 zu einem Preis von 37.500,00 EUR bei der A Automobile GmbH & Co KG, B, ein gebrauchtes Kraftfahrzeug VW Touareg 3,0 l V6 TDI BMT (Fahrzeugidentifikations-Nr. WXXXZXXXZXXX6XXX) mit einem Kilometerstand von 49.249 km, das erstmals am 05.07.2011 zugelassen worden war (Bestellung, K1, Anlagenordner). Das von der Beklagten entwickelte und hergestellte Fahrzeug ist mit einem 3,0-TDI-Sechszylinder-Dieselmotor (Hubraum 2.967, Kilowatt 176) ausgestattet und verfügt über eine EG-Typgenehmigung der Abgasnorm Euro 5. Der in dem Fahrzeug verbaute Dieselmotor wurde von einer Konzerntochter der Beklagten, der Fa. Audi AG, hergestellt.
Im Juni 2017 gab der Bundesverkehrsminister bekannt, dass Modelle des Audi A8 D4 mit V6 und V8-Dieselmotor Euro 5 mit einer illegalen Abschalteinrichtung versehen seien. Ab Dezember 2017 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) sukzessive bezüglich mehrerer mit einem 3,0 Liter-Dieselmotor der Euro-Norm 6 ausgestatteter Fahrzeuge des VW-Konzerns einen amtlichen Rückruf wegen des Einbaus illegaler Abschalteinrichtungen an. So erfolgte am 12.12.2017 zunächst ein amtlicher Rückruf für die Fahrzeuge VW Touareg II 3,0 V6 TDI der Modelljahre 2014 bis 2017 (Euro 6). Am 21.01.2018 erfolgte ein Rückruf der Audi Modelle A4, A 5, A6, A7, A8, Q 5 und Q7 mit 3,0 l TDI-Motor EA 897 evo (Euro 6). Am 14.05.2018 folgte ein amtlicher Rückruf für die Fahrzeuge Porsche Macan 3,0 V6 TDI (Euro 6) und am 04.06.2018 schließlich ein solcher für die Fahrzeuge Audi A6 3,0 (Euro 6). Am 08.11.2019 wurde bekannt, dass bei den 6-Zylinder-Dieselmotoren 2,7 l (Euro 4) der Beklagten ein Rückruf erfolgt. Bezüglich des streitgegenständlichen Fahrzeugmodells mit der Euro-Norm 5 ist (bislang) kein amtlicher Rückruf erfolgt. Aus dem im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erstellten Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen vom 22.04.2016 ergibt sich, dass der getestete Audi A6 V6 3,0 l (Euro 5) in der RDE-Messung die Stickoxidgrenzwerte um ein 7-faches überschritt. Ausweislich des Untersuchungsberichts wurden Bedenken des KBA an der Zulässigkeit einer temperaturabhängigen Abschalteinrichtung aus Motorschutzgründen bei den Fahrzeugen) wegen eines freiwilligen Software-Updates des Herstellers nicht weiter verfolgt.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.04.2018 (Anlage K 18, Anlagenordner) erhob der Kläger gegenüber der Beklagten den Vorwurf, dass auch in dem von ihm erworbenen Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut worden seien, und forderte die Beklagte erfolglos zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs bis zum 23,04.2018 auf. Die Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs betrug zum Zeitpunkt der zweitinstanzlichen Verhandlung am 19.12.2019 156.435 km.
Der Kläger hat behauptet, dass das von ihm gekaufte Fahrzeug über mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen i.S.v. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 verfüge, die bewirkten, dass die tatsächlichen Emissionswerte bei einem normalen Gebrauch entgegen der EG-Typgenehmigung nicht der Euro-Norm 5 entsprächen. Aus diesem Grund müsse er mit einem Widerruf der Zulassung und Stilllegung des Fahrzeugs rechnen, was angesichts der Ungewissheit über eine Nachbesserungsfähigkeit mit einem Wertverlust des Fahrzeugs einhergehe. Die Motorsteuerungssoftware sei ähnlich wie bei den Motoren des Typs EA 189 so programmiert, dass sie durch fehlenden Lenkeinschlag (Servolenkungssensor), Böschungswinkel und Temperaturumgebung erkenne, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im realen Fahrbetrieb befinde. Erkenne die Software, dass sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befinde, werde ein besonderer Rollenprüfstandsmodus aktiviert, der dazu führe, dass das der Minderung des NOx-Wertes dienende Abgasrückführungssystem und der Partikelfilter aktiviert würden, damit bei der zur Erlangung der EG-Typgenehmigung erforderlichen Überprüfung des Schadstoffausstoßes die vorgegebenen Grenzwerte eingehalten würden. Um die Einhaltung der Grenzwerte bei der gesetzlich allein vorgesehenen Kontrolle auf dem Rollenprüfstand zu gewährleisten, werde zudem das sogenannte "Auxilliary Emission Control Device (AECD)" - eingesetzt, mit dessen Hilfe das Emissionskontrollsystem unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren (wie Außentemperatur, Fahrzeuggeschwindigkeit, Umdrehungsgeschwindigkeit des Motor...