Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 11.08.1997; Aktenzeichen 9 O 513/96)

 

Tenor

Dem Beklagten wird zur Durchführung der Berufung gegen das Urteil des LG Bonn vom 11.8.1997 - 9 O 513/96 - ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung der Rechte in dieser Instanz Rechtsanwalt Dr. P. K. in K. beigeordnet.

 

Gründe

Die Berufung verspricht Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO), weil bei Anwendung der für die zivilrechtliche Beurteilung des Ursachenzusammenhanges und Beweismaßstabes geltenden Kriterien die Aufwendungen des Klägers für die Beschäftigung des Zeugen N. als Ersatzgeschäftsführer auch für den Monat April 1995 als unfallbedingt anzuerkennen sind, so dass der Klägerin kein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch zusteht.

I. Das LG hat es versäumt, dem medizinischen Sachverständigen die für die haftungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen Kriterien als Grundlage der Gutachtenerstattung vorzugeben. Das hat dazu geführt, dass das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M. von den im Sozialrecht geltenden (höheren) Kausalitätsanforderungen ausgeht und auch den im Zivilrecht zugunsten des Geschädigten eingreifenden Beweiserleichterungen nicht Rechnung trägt. Die meisten medizinischen Gutachter sind - entsprechend dem Schwergewicht ihrer Gutachtertätigkeit - von der im Sozialrecht vorherrschenden Kausalitätslehre geprägt und mit den im Zivilrecht geltenden Kriterien nicht hinreichend vertraut. Die Notwendigkeit, den medizinischen Sachverständigen in verständlicher Weise darauf hinzuweisen, dass im Haftpflichtrecht andere Kausalitäts- und Beweisanforderungen als im Sozialrecht gelten, ist denn auch in jüngerer Zeit verstärkt ins Blickfeld gerückt worden (z.B. Ziegert, DAR 1994, 227 ff.; Wedig, DAR 1995, 60 ff.; Lemcke, NZV 1996, 337 ff. und Lemcke in Anm. zu BGH r+s 1996, 303 [306]. Im vorliegenden Fall hat es das LG an der gebotenen Anleitung des Sachverständigen fehlen lassen. Die Fassung der Beweisfragen lässt nicht erkennen, nach welchen rechtlichen Maßstäben der medizinische Sachverständige die Fragen nach den Unfallfolgen, insb. der Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit, beurteilen sollte. Schon der Umstand, dass das von der Klägerin eingeholte Gutachten des Prof. Dr. O. vom 4.12.1995 "nahtlos" der Beurteilung der Zusammenhangsfrage in dem für die Berufsgenossenschaft erstatteten Gutachten Dr. W./Dr. A. (Brüderkrankenhaus St. P. B.) vom 17.5.1995 folgte, gab Anlass, die für die zivilrechtliche Haftung geltenden unterschiedlichen Anforderungen deutlich zu machen. Beide Gutachter bestätigten, dass sich der Beklagte bei dem Unfall vom 13.2.1995 jedenfalls eine Zerrung des Bandapparates im Übergang zwischen der LWS und dem Becken zugezogen hat, glaubten jedoch im Hinblick auf die unfallunabhängigen Vorschäden (Zustand nach Bandscheibenoperation v. 30.10.1991 im Bereich des 4. und 5. Lendenwirbelkörpers sowie einer am 11.11.1992 computertomographisch diagnostizierten leichten Bandscheibenprotrusion zwischen dem 5. Lendenwirbelkörper und dem 1. Kreuzbeinwirbel) die durch das Unfallereignis aktualisierten Beschwerden nicht als Unfallfolge anerkennen zu können, weil dieses Ereignis nicht dazu geeignet gewesen sei, ein gesundes Bandscheibengewebe zu schädigen.

Dieses Abgrenzungskriterium wendet unausgesprochen auch Prof. Dr. M. in seinem Gutachten vom 16.5.1997 an. Auch nach seiner Beurteilung hat der Beklagte durch den Auffahrunfall vom 13.2.1995 mit großer Wahrscheinlichkeit u.a. eine Prellung der Lendenwirbelsäule erlitten. Der Sachverständige sieht es ferner als nicht unwahrscheinlich an, dass das Unfallereignis Beschwerden aus einer vorgeschädigten Bandscheibe in der Etage L5/S1 und eine Progredienz der Bandscheibenvorwölbung verursacht hat. Er stellt in diesem Zusammenhang mit Recht die erhöhte Verletzlichkeit der vorgeschädigten Lendenwirbelsäule heraus (S. 18 de schriftlichen Gutachtens v. 16.5.1997: "Bandscheiben, die in der Nachbarschaft einer operierten Bandscheibe gelegen sind, sind immer vermehrt verletzlich, schon bei leichten Bewegungen. Auch ist davon auszugehen, dass ganz allgemein das Knochengewebe weniger widerstandsfähig ist als das Bandscheibengewebe und dass ein zerschlissener Faserring der Bandscheibe, wie er hier angenommen werden muss, auch unter leichter Gewalteinwirkung teilweise oder total ruptieren kann"). Wenn Prof. Dr. M. gleichwohl einen Ursachenzusammenhang verneint, so deshalb, weil er keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen sog. dramatischen Bandscheibenvorfall als unmittelbare Unfallfolge sieht. Haftungsrechtlich kommt es indessen nicht darauf an, ob das Unfallereignis den im Computertomogramm vom 24.2.1995 erkennbaren kleinen rechts medio-lateralen Bandscheibenprolaps L5/S1 mit der entsprechenden Beschwerdesymptomatik unmittelbar oder mittelbar ausgelöst bzw. aktualisiert hat. Es bedarf daher unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten auch keiner Abgrenzung (wie in dem für das AG Köln erstatteten Gutachten Dr. B. v. 9.3.1997 vorgen...

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