Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslagenentscheidung bei Einstellung des Verfahrens wegen dauernder Verhandlungsunfähigkeit aufgrund einer Betäubungsmittelindoxikation

 

Leitsatz (amtlich)

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 467 Abs. 3 S.2 Ziff.2 StPO sind bereits erfüllt, wenn bei dem bei Feststellung des Verfahrenshindernisses gegebenen Verfahrensstand ein zumindest hinreichender Tatverdacht besteht und keine Umstände erkennbar sind, die bei Durchführung der Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungsgemäßen Feststellung der Tatschuld in Frage stellen.

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

 

Gründe

Zu dem Rechtsmittel (das sich mangels Beschwer im übrigen bei sinnentsprechender Auslegung nur dagegen richtet, dass davon abgesehen worden ist, der Staatskasse auch die notwendigen Auslagen des früheren Angeklagten aufzuerlegen) hat sich die Generalstaatsanwaltschaft mit Vorlageverfügung vom 28.07.2010 wie folgt geäußert:

"I. Mit Urteil vom 01.12.2009 hat das Amtsgericht A. gegen den Angeklagten wegen Diebstahls geringwertiger Sachen in 2 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Monaten festgesetzt. Die Vollstreckung der Strafe hat das Gericht zur Bewährung ausgesetzt.

Nach form- und fristgerecht eingelegtem, als Berufung anzusehendem Rechtsmittel hat der Verteidiger des Angeklagten unter Vorlage eines vorläufigen Entlassungsberichts einer Therapieklinik in M. vom 17.02.2010 mitgeteilt, dass der bei Einlieferung sich im vegetativen Status befindliche intravenös drogen- sowie benzodiazepin- und alkoholabhängige Angeklagte als Folge eines epoxischen Hirnschadens nach kardiopulmonaler Reanimation im Rahmen einer Heroinintoxikation auf äußere Reize (akustische Reize, stärkere taktile Reize) nur schwach reagiere. Lediglich teilweise habe eine Augenfolgebewegung auf Darbietung eines Spiegels als Reiz beobachtet werden können. Auf Nachfrage des Gerichts hat der Chefarzt der Neurologie der Klinik am 26.04.2010 mitgeteilt, dass es als extrem unwahrscheinlich gelten müsse, dass der Angeklagte jemals wieder verhandlungsfähig wird.

Mit Beschluss vom 10.05.2010 hat die 2. kleine Strafkammer des Landgerichts K. das Verfahren außerhalb der - wegen des Gesundheitszustands des Angeklagten nie stattgefundenen - Hauptverhandlung gemäß § 206 a Abs. 1 StPO auf Kosten der Staatskasse eingestellt. Gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO hat das Gericht davon abgesehen, der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen.

Mit Schriftsatz vom 21.06.2010 hat der Verteidiger des Angeklagten mitgeteilt, dass dem Beschluss des Landgerichts A. vom 10.05.2010 betreffende Empfangsbekenntnis, datiert mit dem Eingangsdatum vom 17.05.2010, sei "per Fach" zusammen mit einem Schriftsatz vom 21.05.2010, in dem er sofortige Beschwerde gegen den vorbezeichneten Beschluss eingelegt habe, an das Landgericht A. übersandt worden. Rein vorsorglich für den Fall, dass der Beschwerdeschriftsatz nicht zu den Akten gelangt sein sollte, hat der Verteidiger Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt.

Nach Mitteilung des Gerichts, dass der Schriftsatz vom 21.05.2010 nicht bei den Akten befindlich sei, hat der Verteidiger diesen nachgereicht. Das Empfangsbekenntnis befindet sich bis heute nicht bei den Akten.

II. (...)

a) Soweit der Angeklagte sich mit der sofortigen Beschwerde gegen die Auslagenentscheidung wendet, ist diese statthaft. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus der Vorschrift des § 464 Abs. 3 StPO, da diese nur die Art des Rechtsmittels regelt, nicht dagegen die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde begründet. So ist insbesondere bei in der Hauptsache einer Anfechtung entzogenen gerichtlichen Entscheidungen (z.B. §§ 153 Abs. 2 Satz 4, 153a Abs. 2 Satz 4 StPO) eine Anfechtung der Auslagenentscheidung nicht möglich. Vorliegend ergibt sich die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde jedoch daraus, dass § 206a Abs. 2 StPO grundsätzlich den Beschwerdeweg in der Hauptsachenentscheidung eröffnet. Dass der Angeklagte durch die Einstellung des Verfahrens nach § 206a Abs. 1 StPO nicht beschwert und seine diesbezügliche Beschwerde unzulässig ist, ist jedoch für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels gegen die Auslagenentscheidung unerheblich. Insoweit folgt aus der allgemeinen Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde die Zulässigkeit der Anfechtung der Nebenentscheidung über die Auslagen (OLG Zweibrücken, NStZ 1987, 425; OLG Stuttgart, NStZ-RR 2003, 60, 61; Meyer-Goßner, aaO., § 464 Rdnr. 19). In Ermangelung eines in den Akten befindlichen Nachweises über die erfolgte Zustellung des angegriffenen Beschlusses ist entsprechend den Angaben des Verteidigers davon auszugehen, dass diesem der Beschluss am 17.05.2010 zugestellt und er mit Schriftsatz vom 21.05.2010 innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt hat.

b) In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg.

Zwar müssen im Regelfall des § 467 Abs. 1 StPO die...

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