Entscheidungsstichwort (Thema)
Internationale Zuständigkeit durch Gerichtsstandsvereinbarung; Unzulässigkeit eines Teilurteils wegen Gefahr widersprechender Entscheidungen zur Zuständigkeit?
Leitsatz (amtlich)
Schriftlichkeit i.S.d. Art. 23 Abs. 1 S. 3 Lit. a) Alt. 1 EuGVVO liegt nur dann vor, wenn jede Partei ihre Willenserklärung schriftlich abgegeben hat. Dies kann abweichend von § 126 BGB auch in getrennten Schriftstücken geschehen, sofern aus ihnen die inhaltliche Übereinstimmung beider Erklärungen hinreichend deutlich hervorgeht.
Nach Art. 23 Abs. 2 EuGVVO genügt die Übermittlung durch moderne Kommunikationsmittel, die keine handschriftlichen Unterzeichnungen ermöglichen, wenn nur die übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien darin zum Ausdruck kommen und dauerhaft verkörpert werden.
Gepflogenheiten i.S.v. Art. 23 Abs. 1 S. 3. Lit. b) EuGVVO sind alle Verhaltensweisen innerhalb einer längeren Geschäftsverbindung. Sie setzen eine tatsächliche Übung voraus, die auf der Einigung der Vertragsparteien beruht.
Art. 23 Abs. 1 S. 3 Lit. b) EuGVVO ersetzt nur die Schriftform, nicht die Einigung. Die Regelung setzt voraus, dass zwischen den Parteien aufgrund längerer Geschäftsbeziehung bestimmte Verhaltensmuster entstanden sind, denen ausnahmsweise ein rechtserheblicher Erklärungswert zukommt.
Die Einigung per E-Mail ist dem Anwendungsbereich des Art. 23 Abs. 2 EuGVVO zuzuordnen. An diese Einigung sind die gleichen Anforderungen zu stellen, wie an eine schriftliche Vereinbarung. Damit erfasst Art. 23 Abs. 1 S. 3 Lit. b) EuGVVO praktisch nur die Fälle der stillschweigenden mündlichen Verlängerung einer abgelaufenen Vereinbarung und der Bindung aufgrund Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben.
Eine Gerichtsstandvereinbarung im internationalen Handelsverkehr kann durch Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben gem. Art. 23 Abs. 1 S. 3 Lit. c) EuGVVO formwirksam getroffen werden.
Die Möglichkeit, dass das Gericht die Zulässigkeit der Klage im späteren Verfahren anders sieht, steht einer Entscheidung durch Teilurteil nicht entgegen. Die Gefahr widerstreitender Entscheidungen bezieht sich nicht auf Zulässigkeitsvoraussetzungen, auch wenn sie sowohl für den bereits entschiedenen als auch für den noch offenen Teil des Streits von Bedeutung sind. Dies gilt jedenfalls uneingeschränkt für die - wie hier - von Amts wegen zu berücksichtigenden Zulässigkeitsvoraussetzungen.
Normenkette
EuGVVO § 23; ZPO § 301
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 30.10.2012; Aktenzeichen 12 O 9/12) |
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 30.10.2012 verkündete Teil-Urteil der 2. Handelskammer des LG Bonn - 12 O 9/12 - gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO).
1. Das LG hat zu Recht seine internationale Zuständigkeit angenommen. Es hat das Vorliegen einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung zutreffend verneint und seine Zuständigkeit aus Art. 5 Nr. 1 Lit. b) EuGVVO hergeleitet. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Die Prüfung der Zuständigkeit im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit ist dem Berufungsgericht nicht nach § 513 Abs. 2 ZPO versagt (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl. 2012, § 513 Rz. 3; BGH, Urt. v. 16.12.2003 - XI ZR 474/02, NJW 2004, 1456).
Eine auf den konkreten Vertrag bezogene Gerichtsstandsvereinbarung in der Form des Art. 23 Abs. 1 S. 3 EuGVVO (hierzu: Hüsstege in Thomas/Putzo, a.a.O., Art. 23 Rz. 4) liegt nicht vor. Schriftlichkeit i.S.d. Art. 23 Abs. 1 S. 3 Lit. a) Alt. 1 EuGVVO liegt nur dann vor, wenn jede Partei ihre Willenserklärung schriftlich abgegeben hat. Dies kann abweichend von § 126 BGB auch in getrennten Schriftstücken geschehen, sofern aus ihnen die inhaltliche Übereinstimmung beider Erklärungen hinreichend deutlich hervorgeht (Musielak/Stadler, ZPO, 9. Aufl. 2012, Art. 23 Rz. 7). Gemäß Art. 23 Abs. 2 EuGVVO genügt die Übermittlung durch moderne Kommunikationsmittel, die keine handschriftlichen Unterzeichnungen ermöglichen, wenn nur die übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien darin zum Ausdruck kommen und dauerhaft verkörpert werden. Das LG Bonn hat zutreffend festgestellt, dass die Parteien...