Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgabe einer Sache an das Kartellgericht bei Anspruchskonkurrenz zwischen kartellrechtlichen und nichtkartellrechtlichen Anspruchsgrundlagen
Leitsatz (amtlich)
Das allgemeine Gericht darf eine auf kartellrechtliche und nichtkartellrechtliche Anspruchsgrundlagen gestützte Sache nur dann ohne Abgabe an das Kartellgericht selbst entscheiden, wenn diese Sache auch ohne Eingehen auf einen kartellrechtlichen Anspruch oder eine kartellrechtliche Vorfrage abschließend entschieden werden kann.
Normenkette
GWB §§ 87, 91
Tenor
Das OLG Köln erklärt sich für sachlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin an den Kartellsenat des OLG Düsseldorf.
Gründe
I. Die Klägerin betreibt ein privates Flugunternehmen und fliegt seit 1968 regelmäßig 10-15-mal im Jahr im Rahmen des sog. Gelegenheitsverkehrs in ihrer Eigenschaft als personeller Flugdienst einer Hamburger Verlagsgruppe den von der Beklagten betriebenen Flughafen L/C an. Die Flüge dienen der Beförderung von Mitarbeitern der Verlagsgruppe, die in ca. 4 km Entfernung vom Flughafen eine Druckerei unterhält. Seit einer Tarifstruktur zum 1.1.1999 verlangt die Beklagte aufgrund einer Entgeltordnung u.a. vorher nicht erhobene sog. Infrastruktur- und Positionsentgelte.
Die Klägerin hält diese Entgeltpositionen nicht für gerechtfertigt. Sie begehrt deshalb die Feststellung, dass die für die Nutzung des Flughafens erhobenen Infrastruktur- und Positionsentgelte für sie unverbindlich sind, sowie die Rückzahlung der jeweils unter Vorbehalt hierauf gezahlten Beträge.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin unter Erhöhung des Zahlungsantrags wegen zwischenzeitlich entrichteter weiterer Beträge ihr Begehren weiter und beantragt hilfsweise die Verweisung der Sache an den Kartellsenat des OLG Düsseldorf.
II. Die Sache war entsprechend § 281 ZPO an den gem. §§ 91, 95 GWB i.V.m. der Verordnung über die Bildung gemeinsamer Kartellgerichte vom 22.11.1994 (GVBl. NW 1994,1067) zuständigen Kartellsenat des OLG Düsseldorf zu verweisen.
Bei dem vorliegenden Rechtsstreit handelt es sich um eine Kartellsache i.S.d. §§ 87, 91 GWB.
Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit ist Kartellstreitsache gem. 87 Abs. 1 GWB, wenn die Klage, sei es auch nur neben anderen, auf eine kartellrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt ist, oder der Ausgang des Rechtsstreits von einer kartellrechtlichen Vorfrage abhängt.
Dies ist vorliegend jedenfalls wegen des Zahlungsantrags der Fall. Es handelt sich um ein einheitliches Klagebegehren, das die Klägerin auf mehrere miteinander konkurrierende Anspruchsgrundlagen, in erster Linie auf § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB i.V.m. § 315 Abs. 3 BGB und "hilfsweise" auf einen Verstoß gegen §§ 19, 20 GWB stützt, wobei Grundlage für das Rückforderungsbegehren § 33 GWB wäre. In Betracht kommt nach dem Vortrag der Klägerin jedenfalls ein Preismissbrauch (Ausbeutungsmissbrauch) der - marktbeherrschenden - Beklagten nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB. Ferner vertritt die Klägerin die Meinung, dass nicht nur bei einem faktischen Monopol, sondern auch bei einem Oligopol i.S.d. § 19 Abs. 3 GWB die Tarife der Beklagten einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterlägen. Auf der Grundlage dieser nicht unvertretbaren Rechtsauffassung, die verknüpft ist mit der vom BGH bisher offen gelassenen Problematik einer etwaigen Einschränkung des Ermessens aus § 315 Abs. 1 BGB im Falle einer marktbeherrschenden Stellung (s. unten), können sich im Rahmen der Billigkeitskontrolle kartellrechtliche Vorfragen stellen, und zwar auch zu dem Klageantrag zu 1.
Als allgemeines Gericht wäre der Senat zu einer eigenen Entscheidung allenfalls dann befugt, wenn die Sache auch ohne Eingehen auf einen kartellrechtlichen Anspruch oder eine kartellrechtliche Vorfrage spruchreif wäre, also abschließend entschieden werden könnte (BGH WuW 4/1986-BGH2187; OLG Köln NJWE-WettbR 2000, 224; Immenga/Mestmäker/K. Schmidt, GWB, 3. Aufl., § 87 Rz. 46; weiter gehender OLG Stuttgart WuW 11/1987-OLG 4001; Langen/Bunte/Bornkamp, GWB, 9. Aufl., § 87 Rz. 27, die auch im Falle einer Entscheidungsreife aus nicht kartellrechtlichen Gründen bei Anspruchskonkurrenz eine Zuständigkeit des Kartellgerichts annehmen).
Eine kartellrechtsunabhängige Spruchreife besteht indes nicht.
Das LG hat als das für den Bezirk des OLG Köln nach der Verordnung vom 22.11.1994 zuständige Kartellgericht entschieden, auch wenn es die Voraussetzungen für eine innergerichtliche Abgabe an die nach dem Geschäftsverteilungsplan für Kartellsachen zuständige Kammer nicht als gegeben angesehen hat. Es hat deshalb nicht nur die Anwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB wegen Fehlens einer Monopolstellung der Beklagten verneint, sondern zugleich festgestellt, dass es an der Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch die Beklagte und damit an den Voraussetzungen der §§ 19, 20 GWB fehle. Wenn man die Rechtsauffassung des LG zur fehlenden Anwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB folgen würde, hätte auch nunmehr im Be...