Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhungsgebühr für Mehrfachvertretung bei Bruchteilsgemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
Vertritt ein Anwalt mehrere Eigentümer einer Bruchteilsgemeinschaft i.S.v. § 741 BGB in einem Rechtsstreit gegen andere Miteigentümer, so steht ihm im Rahmen des Nr. 1008 VV eine erhöhte Verfahrensgebühr zu.
Normenkette
RVG § 7; RVG-VV Nr. 1008
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 17.11.2011; Aktenzeichen 17 O 233/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim LG Köln vom 17.11.2011 (17 O 233/06) abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Aufgrund des Beschlusses des OLG Köln vom 10.8.2007 (1 U 16/07) sind von den Klägern 4.764,76 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 31.12.2010 an die Beklagten zu erstatten.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kläger zu je ¼.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.975,40 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger sind jeweils Miteigentümer von Einfamilienhäusern in der K-Straße in C. Die Hausgrundstücke liegen im Bereich des sog. Wohnparks A. Dieser besteht aus einer Reihe von Mehrfamilienhäusern, für die jeweils Wohnungseigentumsgemeinschaften begründet wurden, sowie weiteren ein- und zweigeschossigen Häusern. Die verschiedenen Eigentümer bzw. Wohnungseigentümer des Wohnparks halten und betreiben auf gemeinschaftlichem Grund eine Reihe von Einrichtungen (Schwimmbad, Gemeinschaftsräume und -anlagen). Zu diesem Zweck werden unter der Leitung der Verwalterin Eigentümerversammlungen abgehalten.
Die Kläger haben im Rechtsstreit die Auffassung vertreten, ihre Hausgrundstücke seien infolge geänderter tatsächlicher Verhältnisse nicht mehr Bestandteile des Wohnparks A. Sie haben einzelne Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft angefochten und von dieser die Zustimmung zur Löschung von Grunddienstbarkeiten verlangt.
Das LG hat die Klage mit Urteil vom 26.1.2007 abgewiesen. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung haben die Kläger im Verhandlungstermin vom 10.8.2007 vor dem hiesigen 1. Zivilsenat zurückgenommen. Daraufhin sind ihnen die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt worden.
Mit Kostenfestsetzungsanträgen vom 29./30.12.2010 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten für die anwaltliche Vertretung im Berufungsverfahren u.a. die Festsetzung einer 3,6 Verfahrensgebühr gem. §§ 7 Abs. 1, 13, 14 RVG Nr. 3200 RVG-VV beantragt. Im Festsetzungsbeschluss vom 17.11.2011 hat das LG die gemäß VV 1008 beanspruchte Erhöhungsgebühr abgesetzt, da "die BGB-Gesellschaft gebührenrechtlich nur eine Partei darstelle".
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 14.12.2011, mit der sie die antragsgemäße Festsetzung auch der Erhöhungsgebühr gemäß VV Ziff. 1008 BGB RVG begehren.
II. Die gem. § 104 Abs. 2 ZPO, 11 Abs. 2 S. 1 RpflG statthafte, im Übrigen form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das LG die für die Vertretung der Beklagten im Berufungsverfahren angemeldete 2,0 Erhöhungsgebühr abgesetzt.
Die Beklagten sind nicht in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft organisiert. Derartiges hat keine der Parteien vorgetragen. Den Akten ist vielmehr zu entnehmen, dass zwischen den verschiedenen im Wohnpark A. ansässigen Eigentümern bzw. Wohnungseigentümern bezogen auf die gemeinschaftlichen Anlagen Miteigentum besteht. Hinsichtlich ihrer Zielsetzung und Struktur ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümergemeinschaft nach dem WEG weitgehend angenähert. Sie hält Eigentümerversammlungen ab und beschäftigt einen Verwalter. Dass gemeinschaftliche Anlagen unterhalten werden, folgt aus der Natur der Sache und begründet keinen Gesellschaftszweck i.S.v. §§ 705 ff. BGB. Vielmehr sind auf die Beklagten die Regeln über die Bruchteilsgemeinschaft gem. § 741 ff. BGB anzuwenden.
In kostenrechtlicher Hinsicht bedeutet dies, dass grundsätzlich jedes Mitglied der Gemeinschaft als Person an der anwaltlichen Tätigkeit beteiligt ist (vgl. OLG Koblenz AGS 2009, 160). Der Anwalt, der für die Eigentümer tätig wird, kann daher in der Regel eine Erhöhungsgebühr verlangen. Anderes kann gelten, wenn die Eigentümer in ihrer Gesamtheit (als "Verband") auftreten (vgl. Schnapp/Volpert in: Schneider/Wolf, Anwaltskommentar RVG, 6. Aufl., VV 1008 Rz. 21 m.w.N.).
Letzteres ist vorliegend nicht der Fall gewesen. Die Eigentümer sind nicht als Einheit ("als Verband") gegenüber einem Dritten aufgetreten. Vielmehr haben die Kläger einen mehrheitlich von den übrigen Eigentümern gefassten Beschluss angefochten. Es lag somit eine interne Auseinandersetzung zwischen den einzelnen Mitgliedern der Gemeinschaft vor. Wenngleich bei einer Beschlussanfechtung Ähnlichkeiten zu einem Verbandsprozess bestehen, ändert dies doch nichts daran, dass die auf Beklagtenseite stehenden Personen als einzelne Streitgenossen in Anspruch genommen werden. Sie werden demzufolge gegenüber dem Rechtsanwalt als einzelne Auftraggeber tätig (...