Entscheidungsstichwort (Thema)

Öffentlich-rechtliche Unterbringung trotz Vorliegens einer Vorsorgevollmacht

 

Leitsatz (amtlich)

Die Unterbringung eines psychisch Kranken wegen Selbst- und Fremdgefährdung nach den Vorschriften des PsychKG NRW durch staatlichen Eingriff ist auch dann möglich, wenn der Kranke für den Fall der Notwendigkeit einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus Vorsorgevollmacht erteilt hat, wenn aber der Vorsorgebevollmächtigte keine wirksame Beseitigung der akuten Gefährdung anstrebt (z.B. Leugnen der Unterbringsungsbedürftigkeit).

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 23.10.2003; Aktenzeichen 6 T 359/03)

 

Tenor

Die weitere sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des LG Köln vom 23.10.2003 – 6 T 359/03 – wird zurückgewiesen.

Rechtsbeschwerdewert: 3.000 Euro.

 

Gründe

Bei der Beklagten besteht nach fachärztlicher Diagnose eine manisch-depressive Psychose. Durch Beschluss vom 5.10.2003 ordnete das AG Gummersbach auf den Antrag des Beteiligten zu 3) auf der Grundlage der §§ 11, 12 PsychKG NW im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Unterbringung der Betroffenen wegen akuter Fremd- und Eigengefährdung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses für die Dauer von längstens 6 Wochen mit sofortiger Wirkung an. Das LG hat die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen.

Die zulässige weitere sofortige Beschwerde der Betroffenen ist unbegründet. Einen Rechtsfehler, auf den die Rechtsbeschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§§ 27 Abs. 1 FGG, 545, 546, 559 ZPO), weist der angefochtene Beschluss nicht auf.

Das LG hat ausgeführt: Die Unterbringung der Betroffenen, die nach dem dem Antrag des Beteiligten zu 3) beigefügten Attest des Dr. B. vom 5.10.2003 an einer manisch-depressiven Psychose leide, durch die sie sowohl fremd- als auch eigengefährdet sei, sei nach § 11 PsychKG NW nach wie vor erforderlich. Zur Aufnahme in das Krankenhaus habe geführt, dass die Betroffene in der Nacht im Straßenverkehr vor Autos gelaufen sei, so dass eine gegenwärtige Gefahr für sich und andere bestanden habe, die nicht anders als durch die Unterbringung habe abgewendet werden können. Nach der weiteren Stellungnahme der behandelnden Krankenhausärzte vom 23.10.2003 bestehe die Gefahr fort, denn die krankheitsuneinsichtige Betroffene sei in hohem Maße selbstgefährdet, so dass ihre Unterbringung aus ärztlicher Sicht nach wie vor zwingend notwendig erscheine.

Die Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Nach § 561 ZPO a.F. wie auch nach § 559 ZPO n.F. sind der Beurteilung durch die dritte Instanz die verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen der zweiten Instanz zugrunde zu legen. Auf der Basis des vom LG verfahrensfehlerfrei ermittelten Sachverhalts sind seine rechtlichen Schlussfolgerungen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Nach § 11 Abs. 1 PsychKG NW ist die Unterbringung von Personen, die an einer Psychose leiden, zulässig, wenn und solange durch ihr krankheitsbedingtes Verhalten gegenwärtig eine erhebliche Selbstgefährdung oder eine erhebliche Gefährdung bedeutender Rechtsgüter anderer besteht, die nicht anders abgewendet werden kann. Gegenwärtig ist die Gefahr gem. Abs. 2 der genannten Vorschrift dann, wenn ein schadensstiftendes Ereignis unmittelbar bevorsteht oder sein Eintritt zwar unvorhersehbar, wegen besonderer Umstände jedoch jederzeit zu erwarten ist. Für die Gewissheit des Gefahreneintritts genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit jederzeitigen Eintritts. Berücksichtigung können auch die Persönlichkeit des Betroffenen, seine aktuelle Befindlichkeit und seine zu erwartenden Lebensumstände finden (vgl. BayObLG NJW 2000, 881). Danach ist hier die Unterbringung der Betroffenen mit Recht angeordnet worden.

Mit der weiteren Beschwerde wird ohne Erfolg die Annahme der Selbstgefährdung der Betroffenen mit der Begründung gerügt, die Vorinstanzen hätten ihre Äußerung, sie habe sich nur vor den gewaltsamen Angriffen ihres Ehemanns schützen wollen, völlig unberücksichtigt gelassen. Die Angaben der Betroffenen waren bereits vor Ort durch die herbeigerufenen Polizeibeamten überprüft worden, die Entsprechendes nicht feststellen konnten: Der Ehemann wurde festschlafend angetroffen, zudem sei das Auftreten der Betroffenen, die entspr. ihrer manischen Phase hyperaktiv und auch verbal sehr aggressiv war, keinesfalls als äußerst verängstigt einzuschätzen gewesen. Durch ihr unkontrolliertes Auftreten auf der stark befahrenen O.-Straße, zunächst als Fußgänger und dann durch ihr Ansinnen, in ihrem orientierungslosen Zustand mit ihrem Pkw fahren zu wollen, habe sie eine Gefahr für sich und andere Verkehrsteilnehmer dargestellt (Bl. 42 GA). Ähnliches hatte sich gem. dem Bericht ihres Mannes schon einige Monate zuvor im Mai 2003 zugetragen, als die Betroffene in sehr erregtem Zustand nur mit T-Shirt und Schlüpfer bekleidet durch G. gelaufen war und dann mit ihrem Auto hatt...

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