Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsunterbringung eines behandlungsuneinsichtigen Patienten

 

Leitsatz (amtlich)

Verweigert ein psychisch Erkrankter aus Uneinsichtigkeit seine notwendige Behandlung, so rechtfertigt dies nur dann seine zwangsweise Unterbringung in einem Krankenhaus, wenn entweder eine ganz erhebliche Selbstgefährdung oder die Gefährdung bedeutender Rechtsgüter anderer droht. Eine Erhöhung der Heilungschancen allein kann die Zwangsunterbringung nicht rechtfertigen. Denn auch dem psychisch Erkrankten bleibt in gewissen Grenzen die "Freiheit zur Krankheit".

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 20.02.2004; Aktenzeichen 1 T 51/04)

AG Köln (Beschluss vom 10.01.2004; Aktenzeichen 175a XIV 52046.L)

 

Tenor

Auf die weitere sofortige Beschwerde der Betroffenen vom 12.3.2004 wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Köln vom 20.2.2004 - 1 T 51/04 - aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die durch Beschluss des AG Köln vom 10.1.2004 - 175a XIV 52046. L - angeordnete vorläufige Unterbringung der Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtswidrig war.

Die außergerichtlichen Auslagen der Betroffenen werden der S L auferlegt.

Rechtsbeschwerdewert: 3.000 Euro.

 

Gründe

Bei der Betroffenen besteht nach fachärztlicher Diagnose eine manische Psychose. Durch Beschluss vom 10.1.2004 ordnete das AG Köln auf den Antrag des Beteiligten zu 2) auf der Grundlage der §§ 11, 14 PsychKG NW im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Unterbringung der Betroffenen wegen akuter

Fremd- und Eigengefährdung in einem psychiatrischen Krankenhaus längstens bis zum 20.2.2004 mit sofortiger Wirksamkeit an. Das LG hat die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Betroffenen, mit der diese nach zwischenzeitlich erfolgter Entlassung aus der stationären Behandlung die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringungsmaßnahme begehrt hat, zurückgewiesen.

1. Die weitere sofortige Beschwerde der Betroffenen, mit der diese - wie bereits in zweiter Instanz - die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung der vorläufigen geschlossenen Unterbringung erstrebt, ist zulässig. Durch die während des zweitinstanzlichen Verfahrens erfolgte Entlassung der Betroffenen aus der stationären Behandlung ist das von der Betroffenen zunächst mit dem Ziel der Aufhebung der beanstandeten Unterbringungsmaßnahme eingelegte Rechtsmittel unzulässig geworden. Der Betroffene kann aber mit seinem Rechtsmittel die Feststellung der Rechtswidrigkeit der - beendeten - Unterbringungsmaßnahme verfolgen, weil er infolge des mit der Unterbringungsmaßnahme verbundenen tiefgreifenden Grundrechtseingriffs ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Eingriffs hat (vgl. BayObLG v. 30.7.2003 - 3Z BR 139/03, NJW-RR 2004, 8; Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl., D 13).

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache selbst Erfolg.

Die Entscheidungen des Amts- und LG sind nicht frei von Rechtsfehlern (§§ 27 Abs. 1 FGG, 545, 546, 559 ZPO).

Das LG hat ausgeführt: Die Unterbringung der Betroffenen, die nach dem Antrag des Beteiligten zu 2) beigefügten ärztlichen Attest vom 9.1.2004 an einer Psychose leide, sei nach § 11 PsychKG NW zu Recht angeordnet worden. In dem ärztlichen Attest werde eine weitere Progredienz dieser Psychose bis zu einer völligen körperlichen Erschöpfung der Betroffenen bescheinigt. Hinzu träten Hämatome, die sich die Betroffene selbst zugefügt habe. Die Abmagerung der Betroffenen sei alarmierend. Die in dem ärztlichen Attest enthaltenen Angaben seien im Rahmen persönlichen Anhörung der Betroffenen durch den Richter des AG bestätigt worden. Die festgestellten Befunde würden eine sofortige Behandlung unter geschlossenen Bedingungen gebieten.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Nach § 11 Abs. 1 PsychKG NW ist die Unterbringung von Personen, die an einer Psychose leiden, zulässig, wenn und solange durch ihr krankheitsbedingtes Verhalten gegenwärtig eine erhebliche Selbstgefährdung oder eine erhebliche Gefährdung bedeutender Rechtsgüter anderer besteht, die nicht anders abgewendet werden kann. Gegenwärtig ist die Gefahr gem. Abs. 2 der genannten Vorschrift, wenn ein schadensstiftendes Ereignis unmittelbar bevorsteht oder sein Eintritt zwar unvorhersehbar, wegen besonderer Umstände jedoch jederzeit zu erwarten ist.

Die Vorinstanzen haben das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahrenlage zum Zeitpunkt der Anordnung der Unterbringungsmaßnahme zu Unrecht bejaht. Dafür, dass von der Betroffenen eine Fremdgefährdung ausging, fehlen jegliche Anhaltspunkte. Es bestand auch keine erhebliche Eigengefährdung i.S.v. § 11 Abs. 1 PsychKG, die eine geschlossene Unterbringung der Betroffenen erforderlich machte.

Zwar leidet die Betroffene an einer Psychose und es hatte sich bei ihr nach Absetzen des ihr verordneten Medikaments Y eine Essstörung eingestellt, aufgrund derer sie bereits 8 kg abgenommen hatte. Nach ärztlicher Einschätzung war eine weitere Progredienz der Erkrankung bis zur völ...

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