Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinsame Sorge trotz Zerstrittenheit der Eltern
Leitsatz (amtlich)
1. Dem Belassen der gemeinsamen elterlichen Sorge bei beiden Kindeseltern steht grundsätzlich nicht entgegen, dass die Kindeseltern untereinander heillos zerstritten sind. Die Zerstrittenheit der Eltern kann nämlich nur dann zum Anlass der Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts gemacht werden, wenn die begründete Annahme besteht, dass die Kindeseltern eine dem Kindeswohl dienende gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge nicht gewährleisten können (vgl. u.a. BGH NJW 2005, 2080 f.; OLG Hamm FamRZ 2005, 537 f.; OLG Köln FamRZ 2005, 2087; 2000, 499 f.). Danach reicht allein die Tatsache der Zerstrittenheit der Eltern nicht aus, um eine Sorgerechtsübertragung auf nur einen Elternteil rechtfertigen zu können. Vielmehr muss auch nach der Auffassung des Senates (vgl. u.a. OLG Köln vom 29.3.2005, FamRZ 2005; 2087) im Rahmen einer konkreten Einzelfallprüfung entschieden werden, ob die Zerstrittenheit der Eltern sich negativ auf das Kindeswohl auswirkt. Ist dies nicht erkennbar und ist auch nicht zu befürchten, dass sich zukünftig negative Auswirkungen ergeben könnten, muss es trotz der Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Eltern bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleiben, da die in der gemeinsamen Sorge gesetzlich ausgeprägte besondere gemeinschaftliche Verantwortung der Eltern für ihr Kind auch in der Trennungssituation dem Kindeswohl am Besten entspricht, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen (so Senatsbeschluss vom 29.3.2005, FamRZ, a.a.O.).
2. Vielmehr kann es dem Kindeswohl im Einzelfall durchaus förderlich sein, wenn das betroffene Kind erfährt, dass die zerstrittenen Eltern trotz der Trennung, unter der das Kind besonders leidet, in der gemeinsamen Verantwortung für ihr Kind gemeinsam handeln können.
Normenkette
BGB §§ 1666, 1666a
Verfahrensgang
AG Bonn (Beschluss vom 03.05.2007; Aktenzeichen 40 F 219/06) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - FamG - Bonn vom 3.5.2007 - 40 F 219/06 AG Bonn - wird zurückgewiesen.
Von Amts wegen wird gem. §§ 1666, 1666a BGB der vorgenannte Sorgerechtsbeschluss des FamG Bonn bezüglich des Kindes P dahin abgeändert, dass das elterliche Personensorgerecht zwecks Durchführung sozialpädagogischer Maßnahmen im Rahmen der sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH) und der psychotherapeutischen Gesundheitsfürsorge den verfahrensbeteiligten Eltern entzogen wird. Insoweit wird die elterliche Personensorge dem Jugendamt der Bundesstadt C (JA C) als Ergänzungspfleger übertragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer. Für die I. Instanz verbleibt es bei der amtsgerichtlichen Kostenentscheidung.
Gründe
Die gem. § 621e ZPO zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - befristete Beschwerde des Antragsstellers hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat es das FamG grundsätzlich bei der gemeinsamen Sorge der Kindeseltern belassen. Allerdings war nach Auffassung des Senates von Amts wegen betreffend das Kind P den Kindeseltern die Personensorge insoweit zu entziehen, als es die Durchführung sozialpädagogischer Maßnahmen im Rahmen der sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH) und die psychotherapeutische Gesundheitsfürsorge betrifft.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kann es grundsätzlich bei der gemeinsamen elterlichen Sorge für die beiden betroffenen Kinder P und T verbleiben.
Die geschiedenen Eltern streiten um die Aufteilung der Ausübung des Sorge- bzw. des Aufenthaltsbestimmungsrechts untereinander. Aufgrund des vom FamG eingeholten Sachverständigengutachtens der Sachverständigen Frau Dipl.-Psychologin U vom 6.1.2007 (s. Anlagenhefter zu dieser Akte) kann zur Überzeugung des Senates zusammenfassend festgestellt werden, dass dem Kindeswohl am Besten gedient ist, wenn die Kinder sich wechselweise bei den Elternteilen aufhalten. Eingehend und für den Senat nachvollziehbar hat die Sachverständige festgestellt, dass beide Elternteile ihre Kinder sehr lieben und an ihrer Entwicklung stark interessiert sind. Dieser Eindruck hat sich - trotz aller Defizite in der Erziehungsgeeignetheit der Kindeseltern - auch für den Senat bei der Anhörung der Kindeseltern im Termin am 29.1.2008 ergeben. Die Probleme der Kindeseltern liegen nicht so sehr in der Wertschätzung ihrer Kinder als in der Aufarbeitung ihrer gescheiterten Beziehung. Wechselseitig sprechen sie sich ihre Erziehungsfähigkeit ab. Insbesondere der Kindesvater (Antragsteller) meint, dass er alleine das Kindeswohl garantieren könne. Während sich die Kindesmutter in der mündlichen Verhandlung durchaus kooperativ gezeigt hat, neigte der Kindesvater dazu, seine Erziehungsfähigkeit herauszustellen und sein Erziehungsverhalten als das allein Richtige darzustellen. Andererseits wurde bei der mündlichen Anhörung der Kindeseltern auch deutlich, dass die Kindesmutter vor allem wegen ihrer sprachlichen Defizite nicht die gleichen schulischen Fördermöglichkei...