Entscheidungsstichwort (Thema)

Allein die Zerstrittenheit der Eltern reicht nicht aus, um einem Elternteil das Sorgerecht zu entziehen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ergibt sich bei der vom Familiengericht vorzunehmenden Einzelfallprüfung weder aus dem Vortrag der beteiligten Eltern noch aus den sonstigen bekannten Umständen, dass die gemeinsamen Kinder die Zerstrittenheit der Kindeseltern über Sorgerechtsfragen mitbekommen und kann daher nicht festgestellt werden, dass sich ihr Zerwürfnis negativ auf die Kindesentwicklung auswirkt, scheidet eine Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den antragstellenden Elternteil aus.

2. Das Unterlassen der Mitwirkung eines Elternteils bei gemeinsam zu treffenden Sorgerechtsentscheidungen kann zu einem Sorgerechtsentzug führen, wenn hierdurch das Kindeswohl beeinträchtigt wird. Dies ist durch das Familiengericht positiv festzustellen.

3. Es bedarf keiner Anhörung des Kindes, wenn die Anhörung eine reine Förmelei darstellen würde und den nicht dem Kindeswohl dienenden Nachteil hätte, das Kind in die Auseinandersetzung der Eltern mit hineinzuziehen.

 

Normenkette

BGB § 1671

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 28.04.2010; Aktenzeichen 405 F 13/10)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsge-richts - Familiengericht - Bonn vom 28.4.2010 - 405 F 13/10 -, mit welchem ihr Antrag, ihr das alleinige elterliche Sorgerecht über die beteiligten minderjährigen Kinder B. und C. zu übertragen, zurückgewiesen worden ist, wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

2. Der Antrag der Antragstellerin, ihr zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

3. Dem Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozess-kostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Q. in D. bewilligt.

 

Gründe

I. Die gem. §§ 111 Nr. 2, 68, 58, 59, 63, 64 zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Kindesmutter hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Familiengericht die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Kindesmutter abgelehnt.

Auch nach Überzeugung des Senates liegen keine durchgreifenden Gründe dafür vor, dass dem Kindesvater das Sorgerecht entzogen wird. Hauptangriffspunkt der Kindesmutter gegen die angegriffene Entscheidung des Familiengerichtes ist es, dass wegen der heillosen Zerstrittenheit der Kindeseltern jegliche Kommunikationsmöglichkeit und -bereitschaft des Kindesvaters fehle, so dass eine sinnvolle Ausübung der elterlichen Sorge nicht möglich erscheine.

Indessen reicht allein die Zerstrittenheit der Eltern noch nicht aus, um einem Elternteil das Sorgerecht zu entziehen. Dem Belassen der gemeinsamen elterlichen Sorge bei beiden Kindeseltern steht grundsätzlich nicht entgegen, dass die Kindeseltern untereinander heillos zerstritten sind. Die Zerstrittenheit der Eltern kann nämlich nur dann zum Anlass der Aufhebung der gemeinsamen Sorge gemacht werden, wenn die begründete Annahme besteht, dass die Kindeseltern eine dem Kindeswohl dienende gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge nicht gewährleisten können (vgl. u.a. BGH NJW 2005, 2080 f.; OLG Hamm FamRZ 2005, 537 f., OLG Köln OLGReport Köln 2008, 703 bis 706; FamRZ 2005, 2087; 2000, 499 f.). Danach reicht allein die Tatsache der Zerstrittenheit der Eltern nicht aus, um eine Sorgerechtsübertragung auf nur einen Elternteil rechtfertigen zu können. Vielmehr muss auch nach der Auffassung des Senates (vgl. u.a. OLG Köln vom 29.3.2005, FamRZ 2005, 2087) im Rahmen einer konkreten Einzelfallprüfung entschieden werden, ob die Zerstrittenheit der Eltern sich negativ auf das Kindeswohl auswirkt. Ist dies nicht erkennbar und ist auch nicht zu befürchten, dass sich zukünftig negative Auswirkungen ergeben könnten, muss es trotz der Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Eltern bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleiben, da die in der gemeinsamen Sorge gesetzlich ausgeprägte besondere gemeinschaftliche Verantwortung der Eltern für ihr Kind auch in der Trennungssituation dem Kindeswohl am besten entspricht, wenn keine besondere Umstände dagegen sprechen (so Senatsbeschluss vom 29.3.2005, FamRZ, a.a.O.).

Bei der durch den Senat vorzunehmenden Einzelfallprüfung kann nicht festgestellt werden, dass die Zerstrittenheit der Kindeseltern sich negativ auf die Kindesentwicklung auswirkt. So wird nicht einmal von der Kindesmutter vorgetragen, dass sie sich vor den Kindern streiten und ihre Streitigkeiten in die Eltern-Kind-Beziehung einfließen lassen. Alles spricht dafür, dass die Eltern die Kinder glücklicherweise in ihre Streitigkeiten nicht involviert haben.

So liegt der Schwerpunkt zur Begründung des Begehrens der Antragstellerin auf die alleinige Sorgerechtsübertragung nicht so sehr in der Zerstrittenheit der Kindeseltern. Vielmehr zielt der Vorwurf der Kindesmutter darauf, dass der Kindesvater sich nicht ausreichend um die Belange seiner beiden gemeinsamen Kinder kümmere, keinen Kontakt zu i...

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