Leitsatz (amtlich)
1. Anträge im selbständigen Beweisverfahren müssen zwar gem. § 487 Nr. 2 ZPO die Tatsachen bezeichnen, über die Beweis erhoben werden soll. Die Beweisbehauptungen müssen so aufgestellt werden, dass der zu bestellende Sachverständige weiß, zu welchen behaupteten Tatsachen er Antworten geben soll.
2. Die Formulierung der zu Beweis gestellten Tatsachen durch den Antragsteller in Gestalt einer Beweisfrage kann zwar sinnvoll sein. Sie ist aber nicht zwingend, soweit aus dem Antrag die Tatsachen, über die Beweis erhoben werden sollen, deutlich hervorgehen, da Anträge im selbstständigen Beweisverfahren nicht der Formstrenge von Klageanträgen unterliegen.
3. Das Gericht ist im selbstständigen Beweisverfahren nicht gehindert, dem Sachverständigen anhand der vom Antragsteller vorgetragenen Tatsachen weitere Beweisfragen zur Beantwortung aufzugeben.
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 11 OH 6/18) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Aachen vom 03.08.2018 teilweise abgeändert und wie folgt ergänzt:
"1. ...
2.
...
c) Welche Beschwerden (Schmerzen und Funktionseinschränkungen) liegen bei der Antragstellerin aufgrund des nach Ziff. 1. des Beschlusses festgestellten pathologischen Zustandes vor?
Leidet die Antragstellerin unter Schmerzen beim Stuhlgang, die kaum auszuhalten sind?
Leidet sie unter unkontrolliertem Stuhlgang und Abgang von Winden und kann sie deswegen nur noch eingeschränkt außer Haus soziale Kontakte pflegen oder ihre Kinder betreuen?
Ist der Antragstellerin Geschlechtsverkehr nicht mehr möglich?
Liegen weitere Beschwerden oder Beeinträchtigungen vor?
3. ..."
Der Antragstellerin wird ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. Martin Riemer in Brühl für das Beschwerdeverfahren bewilligt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Zu Unrecht hat das Landgericht den Antrag der Antragstellerin auf Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens auch zu der Frage, welche Beschwerden (im Sinne von Schmerzen und Funktionseinschränkungen) bei ihr aufgrund von Verletzungen im Bereich des Damms und des Schließmuskels des Afters vorliegen, abgewiesen.
Der Antrag im selbständigen Beweisverfahren muss die Tatsachen bezeichnen, über die Beweis erhoben werden soll, § 487 Nr. 2 ZPO. Die Beweisbehauptungen müssen so aufgestellt werden, dass der zu bestellende Sachverständige weiß, zu welchen behaupteten Tatsachen er Antworten geben soll (MüKo-Schreiber, 5. Auflage 2016, § 487 ZPO, Rn. 4). Die Formulierung der zu Beweis gestellten Tatsachen durch den Antragsteller in Gestalt einer Beweisfrage kann zwar sinnvoll sein; sie ist aber nicht zwingend, soweit aus dem Antrag die Tatsachen, über die Beweis erhoben werden sollen, deutlich hervorgehen.
Die Antragstellerin hat ihre Beschwerden, die sie auf Behandlungsfehler bei der Geburtsleitung und bei der Versorgung des Dammschnitts zurückführt, in der Antragsschrift beschrieben. Ihre Angaben hat sie anschließend weiter konkretisiert und zu Protokoll der Rechtsantragstelle gegeben. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat zuletzt mit Schriftsatz vom 16.08.2018 die Beschwerden der Antragstellerin erneut detailliert beschrieben und dabei deutlich gemacht, dass es seiner Mandantin nicht nur um die Feststellung dieser Beschwerden gehe, sondern dass die Beweisfrage im Hinblick auf mögliche weitere, bisher nicht bekannte Beeinträchtigungen, offen gestellt bleiben solle. Dies begegnet vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin nicht wissen kann, ob noch weitere, ihr bislang nicht bekannte Körperschäden (etwa den Enddarm betreffend) eingetreten sein könnten, keinen Bedenken.
Die durch den Senat gewählte Formulierung der Beweisfrage zu Ziff. 2 c) orientiert sich an der üblichen Vorgehensweise in vergleichbaren Fällen. Danach nimmt die Beweisfrage - zur Erleichterung der Arbeit des Sachverständigen - auf die von der Antragstellerin konkret behaupteten Beschwerden und Beeinträchtigungen Bezug und ist im Übrigen offen formuliert.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 91 ZPO.
Beschwerdewert: 3.000 EUR
Fundstellen
Haufe-Index 12125357 |
ZAP 2019, 479 |