Leitsatz (amtlich)
1. Ein selbstständiges Beweisverfahren ist in beiden Varianten gem. § 485 Abs. 1 und 2 ZPO geeignet, die Folgen einer Körperverletzung nach einem tätlichen Angriff durch den Antragsgegner feststellen zu lassen.
2. Lässt sich ein Antragsgegner auf ein Prozesskostenhilfegesuch des Antragstellers nicht ein, rechtfertigt dies nicht den Schluss, dass die Parteien in einem möglichen späteren Hauptsacheverfahren nicht auch darüber streiten werden, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen beim Antragsteller vorliegen, inwieweit diese auf den körperlichen Angriff zurückzuführen und mit welchem Aufwand diese zu beseitigen sind.
3. Es mag zwar sinnvoll sein, dass der Antragsteller Beweisfragen formuliert, mit denen er das Beweisverfahren betreiben möchte. Gem. § 487 ZPO ist dies als Minimum jedoch nicht zwingend erforderlich, soweit aus der Antragsschrift die Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, deutlich hervorgehen.
4. An die Substantiierung der Beweistatsachen, die gem. § 487 Nr. 2 ZPO nur "in groben Zügen" anzugeben sind, sind niedrigere Anforderungen als an die Darlegungslast in einem Klageverfahren zu stellen.
5. Der Verfahrensgegenstand ist allerdings dann nicht hinreichend eingegrenzt und bietet dem Sachverständigen dann keine hinreichende Basis für seine Tätigkeit, wenn der Antragsteller in lediglich formelhafter und pauschaler Weise Tatsachenbehauptungen aufstellt, ohne diese zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt in Beziehung zu setzen.
6. Bei der Abfassung des Beweisbeschlusses ist es zulässig, Beweisfragen zur Arbeitserleichterung für den Sachverständigen unter Bezugnahme auf den Vortrag des Antragstellers offen zu formulieren.
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 16 O 13/21) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird Beschluss der Einzelrichterin der 16. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 8. März 2023 - 16 OH 13/21 - abgeändert.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens mit monatlicher Ratenzahlung von 116 EUR bewilligt.
Für dieses Verfahren ihm Rechtsanwalt Dr. Riemer beigeordnet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Antragsteller wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für ein selbständiges Beweisverfahren.
Er hat geltend gemacht, infolge eines von dem Antragsgegner ausgehenden tätlichen Angriffs am 2. September 2019 ein Schädel-Hirn-Trauma mit großen subduralen Hämatomen erlitten zu haben. Wegen dieser Tat sei der Antragsgegner durch das Amtsgericht Brühl (51 Ls 1/21) wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden (LG-A 3). Der Antragsteller will den Antragsgegner auf Schadenersatz und Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch nehmen (LG-A 4).
Mit dem am 21. Dezember 2021 bei Gericht eingegangenen Antrag vom 20. Dezember 2021 (LG-A 2-5) begehrt der Antragsteller unter Bezugnahme auf beigefügte Behandlungsunterlagen (LG-A 19-409) Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens eine sachverständige Begutachtung, um den Umfang seiner durch die behauptete Körperverletzung bedingten Gesundheitsschäden feststellen und überdies klären zu lassen, ob diese kausal und zurechenbar durch den Antragsgegner verursacht worden seien, ob Dauerschäden verblieben seien, und wie und mit welchem Kostenaufwand die Gesundheitsschäden zu behandeln seien (LG-A 5).
Das Landgericht Köln hat den Antrag mit Beschluss vom Beschluss vom 27. Januar 2021 (Pkh-Heft 238) und nach dessen Aufhebung durch den Senat ein weiteres Mal mit Beschluss vom 8. März 2023 (Pkh-Heft 389 f.) zurückgewiesen. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, die Antragsschrift genüge nicht den Anforderungen des § 487 Nr. 2 ZPO.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller vom 10. März 2023 (LG-A 561-563, Eingang beim Landgericht am 14. März 2023 (LG-A 560) sofortige Beschwerde eingelegt.
Das Landgericht hat der Entscheidung nicht abgeholfen und die sofortige Beschwerde dem Oberlandesgericht mit Beschluss vom 14. März 2023 (LG-A 571) zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Anträge der Beteiligen wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die sofortige Beschwerde, über die das Beschwerdegericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter zu entscheiden hat, weil die angefochtene Entscheidung von einer Einzelrichterin erlassen worden ist (§ 568 Abs. 1 Satz 1 ZPO), ist zulässig; insbesondere ist sie gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1, 576 ZPO statthaft und gemäß § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO fristgerecht eingelegt. In der Sache ist das Rechtsmittel des Antragstellers teilweise begründet. Die Auffassung des Landgerichts, im Streitfall bestehe kein Anspruch auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens, hält den Rügen der sofortigen Beschwerde nicht stand. Diese hat dahin Erfolg, dass Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Durchführung des selbständige Beweisverfahren nicht, wie geschehen, mangels Zuläs...