Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegfall der Wiederholungsgefahr bei weit gefasster Unterlassungserklärung des Schuldners nach spezifizierter Abmahnung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, deren auszulegender Inhalt das konkret abgemahnte Verhalten (hier: Zugänglichmachen einer bestimmten geschützten Audiodatei in einer Internettauschbörse) und darüber hinaus eine Vielzahl ähnlicher Verstöße gegen Rechte des Abmahnenden und dritter Gläubiger umfasst, ist als ernst gemeint und zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr geeignet anzusehen, wenn sie darauf abzielt, eine künftige Belastung des Schuldners mit Abmahnkosten wegen dieser Verstöße zu vermeiden.

Der Beschluss ist rechtskräftig.

 

Normenkette

UrhG § 97 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 18.08.2010; Aktenzeichen 28 O 307/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der 28. Zivilkammer des LG Köln - 28 O 307/10 - vom 18.8.2010 abgeändert.

Die Kosten des in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Diese hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert entspricht den Verfahrenskosten erster Instanz.

 

Tatbestand

Die Antragstellerin hat den Antragsgegner mit der Begründung abgemahnt, dieser habe im Rahmen einer Internet-Tauschbörse Rechte an der Tonaufnahme 'I Surrender' der Gruppe 'The Disco Boys' verletzt, und die Abgabe einer vorformulierten Unterlassungserklärung verlangt. Der Antragsgegner hat daraufhin eine über diesen Entwurf hinausgehende, selbst formulierte Unterlassungserklärung abgegeben, die ohne Nennung eines konkreten Titels generell 'urheberrechtlich geschützte Werke" erfasste und außer an die Antragstellerin auch an fünf weitere namentlich benannte Unternehmen gerichtet war. Die Antragstellerin hat diese Erklärung nicht angenommen und eine Unterlassungsverfügung erwirkt. Im Widerspruchsverfahren haben die Parteien, nachdem der Antragsgegner eine weitere Unterlassungserklärung abgegeben hatte, das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt. Daraufhin hat das LG die Kosten gem. § 91a ZPO dem Antragsgegner auferlegt. Hiergegen richtet sich dessen sofortige Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige (§§ 91a Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 Abs. 1 und 2 ZPO) sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens nicht dem Antragsgegner, sondern der Antragstellerin aufzuerlegen. Selbst wenn der Antragsgegner ihr wegen der am 3.4.2010 gegen 17:46 Uhr mit einem "German Top 100 Chart Container" in eine Internet-Tauschbörse eingestellten Tonaufnahme "I Surrender" der Künstlergruppe "The Disco Boys" nach § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG auf Unterlassung gehaftet haben sollte, so bestand doch bei Eingang des Verfügungsantrags bei Gericht am 12.5.2010 kein Anspruch mehr, weil durch die von den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners mit Schreiben vom 26.4.2010 abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung (Anlage ASt 9) die Wiederholungsgefahr entfallen war. Darauf, dass das LG keine Feststellungen zu den in den Verfügungstenor übernommenen Varianten des Antrags getroffen hat, die eine Täterschaft oder Teilnahme des Antragsgegners voraussetzten ("im Internet öffentlich zugänglich zu machen ... oder hieran teilzunehmen" im Unterschied zu "zugänglich machen zu lassen ... oder die Gelegenheit dazu zu bieten") und damit über die Verletzungsform einer Störerhaftung hinausgingen (vgl. BGH GRUR 2010, 633 [Rz. 35 ff.] - Sommer unseres Lebens; vgl. Senatsbeschlüsse vom 9.9.2010 - 6 W 114/10 -; v. 10.11.2010 - 6 W 100/10), kommt es deshalb im Ergebnis nicht an.

An den Fortfall der Wiederholungsgefahr bei Verletzungsunterlassungsansprüchen sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen; in Wettbewerbssachen und auch im hier einschlägigen Bereich der Schutzrechtsverletzungen ist regelmäßig nur eine uneingeschränkte, bedingungslose und unwiderrufliche Unterwerfungserklärung unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung geeignet, die Besorgnis künftiger Verstöße auszuräumen, während grundsätzlich schon geringe Zweifel an der Ernstlichkeit der übernommenen Unterlassungsverpflichtung zu Lasten des Schuldners gehen (st. Rspr.: BGH GRUR 1996, 290 [291] = WRP 1996, 199 - Wegfall der Wiederholungsgefahr I; GRUR 1997, 379 [380] = WRP 1996, 284 - Wegfall der Wiederholungsgefahr II; GRUR 1998, 483 [485] = WRP 1998, 296 - "Der M.-Markt packt aus"; GRUR 2002, 180 = WRP 2001, 1179 - Weit-vor-Winter-Schluss-Verkauf; vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 12 Rz. 1.123). Es muss sich jedoch um objektivierbare Zweifel und nicht nur um subjektive Befürchtungen des Unterlassungsgläubigers handeln; nicht jede Modifikation einer von ihm vorformulierten Erklärung lässt auf fehlende Ernstlichkeit schließen. Maßgebend für die Reichweite einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung und damit für deren Eignung zur Ausräumung der Wiederh...

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