Entscheidungsstichwort (Thema)
Pauschgebühr im Auslieferungsverfahren. richterliche Vernehmung
Leitsatz (amtlich)
1. Terminsgebühren nach Nr. 6101 VV entstehenden zugunsten eines Pflichtbeistandes im Auslieferungsverfahren nicht, soweit dieser lediglich Vernehmungstermine vor dem Amtsgericht nach §§ 21, 22 oder 28 IRG wahrnimmt. Die Terminsgebühr kann nur für eine mündliche Verhandlung vor dem Oberlandesgericht nach § 30 Abs. 3 IRG anfallen.
2. Ein besonderer Umfang oder besondere Schwierigkeiten, welche ein Auslieferungsverfahren für den Pflichtverteidiger mit sich bringen, können jedoch mit einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 RVG honoriert werden. Bei der Bemessung dieser Gebühr kann auch die Wahrnehmung von Vernehmungsterminen berücksichtigt werden.
Normenkette
RVG § 51
Tenor
Dem Pflichtbeistand wird eine Pauschvergütung in Höhe des Betrages der Regelgebühren zuzüglich 700,– EUR (in Worten: siebenhundert Euro) bewilligt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller hat den Verfolgten als Pflichtbeistand in einem Auslieferungsverfahren vertreten. Die Auslieferung erfolgte aufgrund eines Ersuchens des Bezirksgerichts Czestochowa in Polen zur Vollstreckung einer wegen Raubes verhängten 4-jährigen Freiheitsstrafe.
Der Antragsteller wurde dem Verfolgten am 29.11.2005 beigeordnet. Der Senat hatte zwar bereits am 13.7.2005 die Auslieferungshaft angeordnet, indes noch nicht über die Zulässigkeit der Auslieferung entschieden, sondern um weitere Aufklärung über den Ablauf des Strafverfahrens nachgesucht. In diesem Rahmen ging es insbesondere um die Frage, ob und ggf. inwieweit dieses in Abwesenheit des Verurteilten stattgefunden hatte. Am 7.12.2005 fand aus diesem Grunde eine Anhörung des Verfolgten durch das Amtsgericht Köln statt, an der auch der Antragsteller teilnahm. Zudem legten die polnischen Behörden in der Folge Auszüge der Hauptverhandlungspotokolle vom 1.6., 15.6., 8.7., 5.8., 14.9., 5.10. und 12.10.2004 vor. Der Antragsteller nahm daraufhin mit Schriftsatz vom 10.1.2006 für den Verfolgten Stellung und beantragte, die Auslieferung für unzulässig zu erklären. Am 25.1.2006 erfolgte eine ergänzende Anhörung des Verfolgten vor dem Amtsgericht Köln, an der auch der Antragsteller teilnahm. Der Senat ordnete daraufhin durch Beschluss vom 31.1.2006 die Zulässigkeit der Auslieferung an.
Die Vergütung des Antragstellers wurde durch Beschluss vom 9.3.2006 auf insgesamt 335,36 EUR festgesetzt. Hierbei wurde ihm eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 6100 VV zugebilligt. Die vom Antragsteller für die Anhörungstermine vor dem Amtsgericht Köln angemeldeten Terminsgebühren gem. Nr. 6101 VV wurden hingegen abgesetzt.
Der Antragsteller hat nunmehr mit Schriftsatz vom 8.3.2006 die Festsetzung einer Pauschgebühr gemäß § 51 Abs. 1 RVG beantragt. Hierbei hat er sich auf den Umfang des Verfahrens, die Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage sowie die von ihm wahrgenommenen Anhörungstermine berufen.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag ist in dem zuerkannten Umfang begründet. Insoweit steht dem Antragsteller eine Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 RVG zu, weil die gesetzlichen Gebühren dem besonderen Umfang des Verfahrens und den besonderen Schwierigkeiten nicht hinreichend Rechnung tragen.
Zunächst ist festzustellen, dass der Rechtspfleger dem Antragsteller zu Recht die zunächst beantragten Terminsgebühren (Nr. 6101 VV) nicht zugebilligt hat. Es entspricht der überwiegenden Auffassung, dass eine Terminsgebühr lediglich für die Beistandsleistung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht gem. § 30 Abs. 3 IRG beansprucht werden kann (Riedel/Sußbauer-Schneider, RVG, 9. Aufl. 2005, VV Teil 6, Rdn. 11; vgl. auch Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe-Madert, RVG, 16. Aufl. 2004, VV 6100-6101, Rdn. 15 f.). Soweit eine andere Auffassung (Gebauer/Schneider-Schneider, RVG, 2. Aufl. 2004, VV 6100-6101, Rdn. 18; offen lassend Burhoff-Volpert, RVG, 2004, Nr. 6101 VV, Rdn. 3) davon ausgeht, dass die Art des gerichtlichen Termins für die Zubilligung der Terminsgebühr unerheblich ist, mithin nach dieser Auffassung auch Vernehmungstermine vor dem Amtsgericht gemäß §§ 21, 22 oder 28 IRG von der Terminsgebühr erfasst sein könnten, stimmt der Senat dem nicht zu. Dieser Sichtweise steht bereits der Wortlaut der maßgeblichen Ziff. 6101 VV entgegen, welcher ausdrücklich von einer Terminsgebühr je „Verhandlungstag” spricht. Hinzu tritt, dass auch nach den früher maßgeblichen §§ 106, 107 BRAGO die Verfahrensgebühr nach überwiegender Auffassung die gesamte Tätigkeit des Beistandes im Auslieferungsverfahren einschließlich der Vernehmung des Verfolgten abdeckte (Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl. 2002, § 106 BRAGO, Rdn. 8; Gerold/Schmidt/v. Eicken/ Madert-Madert, BRAGO, 15. Aufl. 2002, § 106, Rdn. 5 und 8). Für die Beistandsleistung in der mündlichen Verhandlung entstand nach § 106 Abs. 2 S. 1 BRAGO die Gebühr des § 83 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO. Letztgenannte Vorschrift regelte Hauptverhandlungsgebühren, u.a. vor dem Oberlandesgericht, nicht jedoch Vernehmungen vor dem Amt...