Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtsstand für eine Klage des Insolvenzverwalters gegen die Gründungsgesellschafter einer AG wegen Unterkapitalisierung
Leitsatz (amtlich)
Ansprüche der Gläubiger einer Aktiengesellschaft gegen die Gründungsgesellschafter wegen eindeutiger materieller Unterkapitalisierung dieser Aktiengesellschaft sind im Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO geltend zu machen. Handlungsort insoweit ist der Sitz der Gesellschaft zum Gründungszeitpunkt.
Verfahrensgang
LG Aachen (Beschluss vom 12.02.2004; Aktenzeichen 41 O 29/04) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des LG Aachen vom 12.2.2004 - 41 O 29/04 - abgeändert und das Prozesskostenhilfeverfahren an das LG Hamburg - Kammer für Handelssachen - verwiesen.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I. Die in Österreich und der Schweiz wohnenden beiden Antragsgegner sind die alleinigen Aktionäre der mit einem Grundkapital von 50.000 Euro ausgestatteten ND AG, über die mit Beschluss des AG Hamburg vom 21.11.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Die ND AG (im Folgenden: Gemeinschuldnerin) hatte seit 2001 ihren Sitz in I. Unter dem 12.6.2002 erfolgte eine Sitzverlegung nach L im Bezirk des LG Aachen.
Der Antragsteller begehrt mit seinem bei dem LG Aachen eingereichten Antrag Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren, mit dem er in seiner Funktion als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin entsprechend § 93 InsO die Antragsgegner aus dem Gesichtspunkt der Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung der Gemeinschuldnerin und wegen nicht eingehaltener Finanzierungszusagen in Höhe eines Teilbetrages von 145.000 Euro nebst Zinsen in Anspruch nehmen will.
Das LG hat dem Antragsteller die nachgesuchte Prozesskostenhilfe wegen fehlender internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte und einer zudem nicht bestehenden örtlichen Zuständigkeit des LG Aachen verweigert. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er hilfsweise die Verweisung der Sache an das LG Hamburg beantragt. Die Antragsgegner treten dem Rechtsmittel entgegen.
II. Über die zulässige sofortige Beschwerde hat der Senat in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung und nicht der Einzelrichter zu entscheiden, weil der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen, der die erstinstanzliche Entscheidung erlassen hat, nicht Einzelrichter i.S.d. § 568 S. 1 ZPO ist, wie nunmehr der BGH klargestellt hat (vgl. BGH v. 20.10.2003 - II ZB 27/02, MDR 2004, 530 = BGHReport 2004, 414 = NJW 2004, 856).
In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg.
Das Hauptbegehren ist nicht begründet, weil für eine Klage vor dem LG Aachen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Für die Rechtssache sind zwar die deutschen Gerichte international zuständig. Es mangelt aber an der örtlichen Zuständigkeit des LG Aachen. Örtlich zuständig ist vielmehr das LG Hamburg, weshalb das Prozesskostenhilfeverfahren - und nur dieses - entsprechend § 281 ZPO auf den zulässigerweise in der Beschwerde gestellten Hilfsantrag (vgl. hierzu Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 281 Rz. 2, 8) an das LG Hamburg zu verweisen war.
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte und die örtliche Zuständigkeit des LG Hamburg ergeben sich aus Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: EuGVVO) bzw. Art. 5 Nr. 3 des Luganer Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: LGVÜ).
Im Verhältnis zu dem Antragsgegner zu 1) ) ist die EuGVVO anwendbar. Dies folgt in zeitlicher Hinsicht aus Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Art. 76 EuGVVO, weil das Verfahren nach dem 1.3.2002 eingeleitet wurde. Auch der sachliche Anwendungsbereich ist gem. Art. 1 Abs. 1 EuGVVO eröffnet, da die beabsichtigte Klage eine Zivil- und Handelssache betrifft. Die Anwendbarkeit ist nicht nach Art. 1 Abs. 2 lit. b) ("Konkurse") ausgeschlossen. Denn Streitigkeiten, die sich auf ein Insolvenzverfahren beziehen, fallen nur dann unter Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuGVVO, wenn sie unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und sich eng im Rahmen eines Konkurs- oder Vergleichsverfahrens halten (Zöller/Geimer, ZPO, 24. Aufl., Art. 1 EuGVVO Rz. 36). Ein solcher eng am Verfahren orientierter Streitgegenstand liegt hier indes nicht vor. Gegenstand des Klageentwurfs sind Ansprüche von Gläubigern der Gemeinschuldnerin ggü. den Antragsgegnern persönlich, die normalerweise unmittelbar ggü. den Antragsgegnern geltend zu machen wären, falls nicht § 93 InsO entsprechend anwendbar sein sollte, was sehr problematisch ist (vgl. LG Hildesheim DStR 2001, 1447 m. Anm. Holla; OLG Celle v. 29.8.2001 - 9 U 120/01, OLGReport Celle 2001, 283 = GmbHR 2001, 1042; K. Schmidt, ZGR 1996, 209 [217]; Jawensky, DB 2003, 2757 ...