Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Familie mit vier Kindern, die alle noch zur Schule bzw. in den Kindergarten gehen, kann eine Zwangsräumung wenige Wochen vor Schuljahresende eine sittenwidrige Härte darstellen.
2. Auch bei einem erfolgreichen Vollstreckungsschutzantrag nach § 765 a ZPO hat der Schuldner die Kosten nach § 788 III ZPO zu tragen. Das gilt auch für die Kosten des Beschwerdeverfahrens, wenn er erst in der Beschwerdeinstanz Erfolg hatte. Für erfolglose Rechtsmittel gilt dagegen § 97 ZPO.
Normenkette
ZPO §§ 765a, 788 Abs. 3
Tatbestand
I.
Durch Urteil des Amtsgerichts Bergheim vom 7.4.1994 wurden die Schuldner zur Räumung des Hauses Finkenweg 2 in Pulheim verurteilt. Die Berufung der Schuldner (Urteil des Landgerichts Köln vom 15.12.1994) blieb erfolglos, ihnen wurde aber eine Räumungsfrist bis zum 30.4.1995 eingeräumt, wobei schon darauf hingewiesen wurde, daß ungeachtet des geplanten Eigenheimbaus intensiv nach einer Ersatzwohnung gesucht werden müsse.
Das Amtsgericht hat weiteren Räumungsschutz, den die Schuldner mit Rücksicht auf ein im Bau befindliches Eigenheim – die Bauarbeiten wurden am 18.3.1995 begonnen – bis zum 31.8.1995 beantragt haben, versagt. Zur Begründung hat es auf die schon umfängliche Räumungsschutzfrist im Urteil des Landgerichts Köln und die unzumutbare Wohnsituation der Gläubiger hingewiesen. Im übrigen hätten die Schuldner sich selbst zum Umzug in einen Wohnwagen auf Baugrundstück bereit erklärt, dies aber von einer Zahlung von 10.000 DM durch die Gläubiger abhängig gemacht.
Auf ihre Beschwerde hat das Landgericht die Zwangsvollstreckung aus dem Räumungsurteil bis zum 31.8.1995 eingestellt. Da bis zum 31.8.1995 nach dem Bautenstand ein Einzug der Schuldner möglich sei, sei den Schuldnern als einer Familie mit vier minderjährigen Kindern (16, 14, 10 und 4 Jahre) der Umzug in eine Obdachlosenunterkunft für die Übergangszeit, also ein kurzfristige doppelter Umzug, nicht zumutbar, zumal Schul- und Kindergartenbesuch erschwert würden, da die Obdachlosenunterkünfte in einem anderen Stadtteil lägen. Auch bei Berücksichtigung der Gläubigerinteressen in Bezug auf Schikanen in ihrer derzeitigen Mietwohnung stelle die Räumung daher eine sittenwidrige Härte dar, denn die Gläubiger könnten gegen die behaupteten Schikanen rechtliche Schritte einleiten. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Gläubiger, die auch rügen, daß das Landgericht ihnen die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt hat.
Entscheidungsgründe
II.
1) Die sofortige weitere Beschwerde ist gem. §§ 793 II, 568 II ZPO statthaft und auch sonst zulässig. Entgegen der Auffassung der Schuldner sind die Gläubiger durch die Entscheidung des Landgerichts neu und selbständig beschwert, da die stattgebende Entscheidung des Landgerichts von der abweisenden Entscheidung des Amtsgerichts abweicht.
2) In der Sache ist die weitere Beschwerde mit der Maßgabe begründet, dass Vollstreckungsschutz nur bis zum 31.7.1995 zu gewähren ist und die Kostenentscheidung des Landgerichts abzuändern war.
a) Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO kann auch dann gewährt werden, wenn das Prozeßgericht bereits eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO gewährt hatte (OLG Frankfurt WuM 1981, 46; Zöller/Stöber, 19.Aufl. (1995), § 765a Rn. 13 m.w.N.).
Bei der Gewährung von Vollstreckungschutz nach § 765a ZPO müssen aber ganz besondere Umstände vorliegen, die eine sittenwidrige Härte der Vollstreckung begründen; die Norm ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen (vgl. nur Zöller/Stöber, 19.Aufl. (1995), § 765 a, Rn. 5 m.w.N.). Hier hat das Landgericht eine sittenwidrige Härte für die Zeit bis zum 31.7.1995 mit Recht bejaht. Wesentliche Bedeutung hat dafür der Umstand, daß die Schuldner vier minderjährige Kinder haben, die alle noch die Schule bzw. den Kindergarten besuchen. Eine Räumung der Wohnung vor dem bevorstehenden Schuljahrsende ist unzumutbar, auch wenn nach Auskunft der Stadt Pulheim noch nicht festeht, in welche Obdachlosenunterkunft die Schuldner bei Räumung eingewiesen werden müßten. Zum einen bleibt danach völlig offen, ob die bisherige Schule bzw. der Kindergarten noch in zumutbarer Entfernung liegt, zum anderen ist schon der kurzfristige Umzug selbst während der Schulzeit für die Kinder eine erhebliche Belastung. Diese Erwägungen gelten aber nur bis zum Schuljahrsende Mitte Juli 1995 (Donnerstag, 13.7.1995 ist der letze Schultag), wobei der Senat mit Rücksicht auf die danach notwendigen Vorbereitungen Vollstreckungsschutz bis zum Ende des Monats Juli 1995 gewährt hat.
b) Unter der gesetzlich gebotenen vollen Berücksichtigung der Interessen der Gläubiger ist ein weiterer Vollstreckungsaufschub zur Vermeidung einer sittenwidrigen Härte nicht geboten. Wegen der Schul- und Kindergartenferien ist in der Zeit ab Anfang August 1995 ein umzugsbedingter Schul- und Kindergartenwechsel nicht erforderlich. Für sich genommen begründet die Tatsache, daß einer Familie mit vier Kindern eine vorübergehende Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft oder eine...