Entscheidungsstichwort (Thema)
Allgemeiner Auskunftsanspruch im Hinblick auf die behandelnden Ärzte
Leitsatz (amtlich)
1. Die Frage, ob es zumutbar ist, dass ein Patient sich durch Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen die für die Klageerhebung benötigten Informationen selbst beschafft, betrifft nicht die Zulässigkeit der auf Auskunft gerichteten Klage (Rechtsschutzbedürfnis), sondern deren Begründetheit (allgemeiner Auskunftsanspruch nach § 242 BGB).
2. Ein Auskunftsanspruch gegen den Träger eines Krankenhauses im Hinblick auf die Person und die ladungsfähige Anschrift der behandelnden Ärzte entfällt unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit eigener Informationsbeschaffung nur, wenn es dem Patienten als medizinischem Laien ohne weiteres möglich ist, diese Angaben konkret und eindeutig aus den Behandlungsunterlagen zu ermitteln, wobei keine strengen Anforderungen an den Patienten zu stellen sind.
3. Ein Anspruch auf Mitteilung von Privatanschriften besteht grundsätzlich nicht, wohl aber ist mitzuteilen, bei welcher neuen Arbeitsstelle der nicht mehr beim Träger selbst angestellte Behandler nunmehr tätig ist, falls dies dem Träger bekannt ist.
4. Der Anspruch auf Auskunftserteilung ist nicht grundsätzlich nachrangig gegenüber dem Anspruch auf Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen nach § 630 g BGB.
Normenkette
BGB §§ 242, 630g
Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 9 O 12/18) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 26.6.2018 - 9 O 18/18 - teilweise abgeändert.
Der Klägerin wird ratenfreie Prozesshilfe unter Beiordnung der Rechtsanwälte N und Partner über den bereits zuerkannten Umfang hinaus auch insoweit bewilligt, als sie Auskunft über die Namen und ladungsfähigen Anschriften der sie behandelnden Ärzte begehrt (Klageantrag zu 3).
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Klageantrag zu 3 hat Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig.
Es fehlt zunächst nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Bei Leistungsklagen, zu der auch die Klage auf Erteilung einer Auskunft zählt, ergibt sich ein Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig schon aus der Nichterfüllung des behaupteten materiellen Anspruchs, dessen Vorliegen für die Prüfung des Interesses an seiner gerichtlichen Durchsetzung zu unterstellen ist (etwa BGH NJW-RR 1993, 1129-1131; std. Rspr.). Sind die behandelnden oder aufklärenden Ärzte aus den Behandlungsunterlagen ohne weiteres ersichtlich, worauf die Kammer hier abstellt, soll nach einer in der obergerichtlichen Rechtsprechung verbreiteten Auffassung (OLG Düsseldorf, VersR 2005, 694 f.; OLG Hamm, NJW-RR 2001, 236; OLG München Beschl. v. 30.7.2008 - 1 W 1646/08 - juris;) ein Auskunftsanspruch ausgeschlossen sein, was jedoch eine Frage der Begründetheit ist.
Die Klägerin hat einen Auskunftsanspruch schlüssig dargelegt. Dieser ist, da die Beklagten sich nur auf rechtliche Einwände stützen ("Ausforschung"), nicht aber Erfüllung oder einen anderen Erlöschenstatbestand behaupten, auch begründet. Dass ein Patient vom Träger eines Krankenhauses grundsätzlich Auskunft über die Namen und die ladungsfähige Anschrift (was die Anschrift des Krankenhauses sein kann, nicht eine Privatanschrift sein muss) verlangen kann, folgt aus dem allgemeinen Auskunftsanspruch nach § 242 BGB und ist seit langem höchstrichterlich anerkannt (vgl. zuletzt BGH NJW 2015, 1525 ff., Rn. 11 mit weiteren Nachweisen). Voraussetzung ist (unter anderem), dass der Auskunftsberechtigte sich die zur Durchsetzung seines Anspruchs notwendigen Auskünfte nicht in zumutbarer Weise selbst beschaffen kann und der Auskunftsverpflichtete die erforderlichen Auskünfte zu geben vermag, ohne unbillig belastet zu sein (BGHZ 126, 109, 113). Diese materiell-rechtliche Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn sich der Patient aufgrund seines Rechtes auf Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen ohne weiteres über die Person der ihn behandelnden bzw. aufklärenden Ärzte hinreichend sichere Kenntnis verschaffen kann. Insoweit stimmt der Senat den oben angegebenen Oberlandesgerichten und auch der Kammer im Grundsatz zu. Eine derartige sichere Kenntnis, die es dem Patienten ermöglicht, "ohne weiteres" eine auf einen Behandlungsfehler oder ein Aufklärungsversäumnis gestützte Klage zu erheben, wird allerdings häufig aus der bloßen Einsicht in Behandlungsunterlagen nicht zu gewinnen sein, wie der ständig mit Arzthaftungssachen befasste Senat zuverlässig zu beurteilen vermag. Dies gilt besonders bei längeren Krankenhausaufenthalten, wo oft eine Vielzahl von Behandlern oder von Pflegepersonal tätig wird, die sich entweder gar nicht oder nur mit einem Kürzel in den Unterlagen wiederfinden. Es ist daher nicht angebracht, die Frage der Zumutbarkeit eigener Erkenntnismöglichkeiten besonders streng zu beurteilen. Es muss genügen, dass der Patient den Behandlungsabschnitt, bei dem er das Vorliegen einer Pflichtverletzung annimmt, konkret bezeichnet und darauf bezogen keine aus Sicht eines medizinischen Laien eindeutigen und ausreich...