Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Zuständigkeit zur Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch gegen einen Sachverständigen bei Anhängigkeit des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch gegen einen Sachverständigen bleibt das Gericht, das den Sachverständigen ernannt hat, auch dann zuständig, wenn inzwischen Urteil ergangen und die Sache in der höheren Instanz anhängig ist.

2. Diese Zuständigkeit gilt auch bei Ablehnung eines Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren.

3. Ist das Beweisverfahren beendet, geht die Zuständigkeit auf das Gericht des Hauptprozesses über, wenn dort das Sachverständigengutachten benutzt worden ist, und besteht ebenfalls fort, wenn inzwischen Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts der Hauptsache eingelegt ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 406, 492

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 5 O 464/04)

 

Tenor

Das Gesuch der Beklagten vom 6.12.2006, den Sachverständigen Prof. Dr. G wegen Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Der Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr. G ist unzulässig.

Der Senat ist zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nicht zuständig, da der Sachverständige im Berufungsverfahren weder ernannt noch angehört worden ist.

Gemäß § 406 Abs. 2 und 4 ZPO ist das Gericht, von dem der Sachverständige ernannt ist, für die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch zuständig, also in der Regel das Prozessgericht erster Instanz, auch wenn ein Urteil bereits ergangen und Rechtsmittel eingelegt ist (h.M., vgl. BayObLG München, BayObLG v. 9.4.1997 - 3Z BR 75/97, 3Z BR 85/97, FamRZ 1997, 1288; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 406 Rz. 10; Musielak-Huber, Kommentar zum Zivilprozessrecht, 5. Aufl., § 406 Rz. 12, 15; Damrau in MünchKomm zur Zivilprozessordnung, 2. Aufl., § 406 Rz. 12 m.w.N.; a.A. OLG Koblenz v. 7.1.2000 - 1 U 1644/98, OLGReport Koblenz 2000, 442). Die Anhängigkeit in der Rechtsmittelinstanz ändert mithin weder die Zuständigkeit des Gerichts, bei dem das Ablehnungsgesuch anzubringen ist, noch nimmt es diesem die Befugnis zur Entscheidung darüber (§ 406 Abs. 4 ZPO).

Über ein Ablehnungsgesuch gegen einen Sachverständigen, der bereits im selbständigen Beweisverfahren ernannt worden ist, hat gem. § 492 Abs. 1, 406 Abs. 2 und 4 ZPO ebenfalls grundsätzlich das Gericht, das ihn ernannt hat, zu entscheiden (h.M., vgl. OLG München, NJW 1984, 1048; Müller, NJW 1982, 1961, 1965 f.; Schulze, NJW 1984, 1019 f.; Musielak - Huber, a.a.O., § 490 Rz. 5; Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl, § 406 Rz. 6 und § 487 Rz. 5, 6 m.w.N.).

Ist wie hier, das Beweisverfahren beendet, geht die Zuständigkeit zur Entscheidung über ein danach gestelltes und auf neu entstandene oder neu bekannt gewordene Tatsachen gestütztes Ablehnungsgesuch vom Gericht des Beweisverfahrens auf das Gericht der Hauptsache über (vgl. die vorgenannten Nachweise). Dies ist das Prozessgericht erster Instanz, wenn in erster Instanz die Beweisaufnahme des selbständigen Beweisverfahrens gem. § 493 ZPO benutzt wird und damit einer Beweisaufnahme im Urteilsverfahren gleichsteht (vgl. Thomas/Putzo, a.a.O., § 493 Rz. 1). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, da sich die Parteien in erster Instanz auf das Gutachten berufen haben und auch das LG in seinen Entscheidungsgründen das Gutachten verwertet hat (S. 11 ff. des Urteils). Die dadurch nach Abschluss des Beweisverfahrens begründete Zuständigkeit des Prozessgerichts erster Instanz entspricht derjenigen des § 406 Abs. 2 ZPO. Sie besteht - wie oben ausgeführt - gem. § 406 Abs. 2 ZPO fort, wenn bereits Urteil ergangen und Rechtsmittel eingelegt ist. Denn Verfahren und Entscheidung richten sich auch im Fall der Ablehnung eines Sachverständigen aus dem Beweisverfahren allein nach § 406 ZPO (vgl. Musielak/Huber, a.a.O., § 490 Rz. 5).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1694569

OLGR-Mitte 2007, 357

www.judicialis.de 2006

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