Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 11 O 157/17)

 

Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

 

Gründe

I. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil, soweit die Beklagte sich gegen dieses mit der Berufung wendet, die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt, den Klägern das Betreten oder Befahren des in Rede stehenden Weges zum rückwärtigen Bereich der Grundstücke mit der postalischen Anschrift A Straße 82, 84 und 86 zu verhindern.

Auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Urteil wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Das Vorbringen des Beklagten im Berufungsverfahren gibt allein zu folgenden ergänzenden Hinweisen Anlass:

1. Zu Recht hat das Landgericht einen Anspruch der Kläger gegen die Beklagte aus einem zugunsten der erstinstanzlichen Kläger aus Gewohnheitsrecht bestehenden Wegerecht auf Unterlassung dahingehend zugesprochen, dass die Beklagte das Betreten oder Befahren des in Rede stehenden Weges durch die Kläger nicht verhindern darf.

Die Kläger haben gegen die Beklagte jeweils einen Unterlassungsanspruch aus einer entsprechenden Anwendung von §§ 1027, 1004 BGB unter dem Gesichtspunkt eines zumindest zu ihren Gunsten bestehenden Gewohnheitsrechts an der Nutzung des in Streit stehenden Zuwegs zum rückwärtigen Bereich der Grundstücke A Straße 82 bis 86 zum Zwecke des Erreichens der dort gelegenen Garagen, zum Transport von Mülltonnen sowie zu Zwecken der Ausübung eines Gewerbebetriebs auf dem Grundstück A Straße 84. Denn durch das von der Beklagten angekündigte Verschließen des Weges würde das an ihre jeweilige Eigentümerstellung gekoppelte Wegerecht verhindert und gestört werden.

Die Möglichkeit des Entstehens und Bestehens von unabhängig von geschriebenen Rechtsnormen oder einem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft entstehendem Gewohnheitsrecht ist weitgehend anerkannt. Vorausgesetzt wird hierfür eine lang andauernde tatsächliche Übung sowie die Überzeugung der beteiligten Verkehrskreise, durch die Einhaltung dieser Übung bestehendes Recht zu befolgen (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 15.01.2009, 2 BvR 2044/07, NJW 2009, 1469, Rdnr. 62, zitiert nach beck-online; BGH, Urteil vom 21.11.2008, V ZR 35/08, Rdnr. 12, zitiert nach juris, NJW-RR 2009, 311 = NZM 2009, 175; BGH, Urteil vom 16.02.2001, V ZR 422/99, Rdnr. 13, zitiert nach juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 30.09.2014, 12 U 81/14, Rdnr. 50, zitiert nach juris; OLG Schleswig, Urteil vom 24.10.2006, 3 U 41/06, Rdnr. 25, zitiert nach juris; Palandt-Grüneberg, BGB, 77. Auflage 2018, Einl. Rdnr. 22). Unter diesen Voraussetzungen wird Gewohnheitsrecht auch im privaten und öffentlichen Wegerecht zur Begründung von historisch entstandenen Überwegungsrechten anerkannt (vgl. z.B. OLG München, Urteil vom 17.12.2014, 3 U 1362/14, Rdnr. 33, zitiert nach juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 30.09.2014, 12 U 81/14, Rdnr. 50, zitiert nach juris; OLG Schleswig, Urteil vom 24.10.2006, 3 U 41/06, Rdnr. 25, zitiert nach juris = MDR 2007, 457; BeckOK BGB Bamberger/Roth/Hau/Poseck-Fritzsche, Stand 01.11.2017, § 917 Rdnr. 45; MüKo/BGB-Brückner, 7. Auflage 2017, § 917 Rdnr. 59).

Soweit Gewohnheitsrecht nur als Rechtsquelle allgemeiner Art verstanden und deshalb als Rechtsgrund einer Verpflichtung zwischen Privatpersonen nicht anerkannt wird (vgl. z.B. OLG Hamm, Urteil vom 09.10.1986, 5 U 88/86, NJW-RR 1987, 137, 138) oder als Rechtsgrund für ein Wegerecht abgelehnt wird (vgl. LG Koblenz, Urteil vom 28.05.2013, 6 S 277/12, BeckRS 2014, 19351 = ZMR 2014, 840; AG Neuruppin, Urteil vom 29.04.2005, 42 C 37/04, NJOZ 2005, 3217), folgt der Senat dem nicht. Unter den engen Voraussetzungen des Entstehens von Gewohnheitsrecht steht dem Entstehen von räumlich sowie für einen abgeschlossenen Personenkreis geltendem Gewohnheitsrecht nicht entgegen, dass es für die Entstehung eines dinglich gesicherten Rechtes an einem Grundstück gemäß § 873 BGB der Eintragung in das Grundbuch bedarf. Denn der Inhalt eines aus Gewohnheitsrecht in bestehenden Wegerechts kann von den von § 873 BGB erfassten Rechten an einem Grundstück abweichen. Insbesondere muss sich ein aus Gewohnheitsrecht bestehendes Wegerecht nicht auf ein bestimmtes Grundstück oder einen bestimmten Grundstücksteil beziehen.

Im vorliegenden Fall besteht eine langjährige tatsächliche Übung der Eigentümer oder berechtigten Nutzer der in Rede stehenden Grundstücke dahingehend, dass die straßenabgewandte Seite der Grundstücke mit der Anschrift A Straße 82, 84 und 86 mit Kraftfahrzeugen, anderen Fahrzeugen sowie zu Fuß über eine Zufahrt erreicht werden kann, welche über Grundstücke führt, welche heute im Eigentum der Beklagten stehen. Dies folgt nicht nur aus den für das Berufungsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils, sondern ...

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