Leitsatz (amtlich)

Die entgegen § 524 Abs. 3 ZPO nicht formgerecht begründete Anschlussberufung ist auch dann unwirksam, wenn sie vor Eingang der Berufungsbegründung eingelegt worden ist.

Nimmt der Berufungskläger seine Berufung vor Ablauf der Begründungsfrist zurück, sind dem Anschlussberufungskläger die durch die nicht formgerechte Anschließung entstandenen Kosten im Wege der Quotelung anteilig aufzuerlegen.

 

Normenkette

ZPO § 524

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 11 O 205/02)

 

Tenor

Die Klägerin wird des Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt.

Die Kosten des Berufungsrechtszugs tragen die Klägerin zu 83 % und die Beklagte zu 17 %.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat die Beklagte vor dem LG auf Zahlung von Schmerzensgeld und Haushaltsführungsschaden i.H.v. insgesamt 5.626,21 Euro in Anspruch genommen. Das LG hat der Klage unter Abweisung im Übrigen i.H.v. 943,54 Euro stattgegeben. Das Urteil ist der Klägerin am 11.11.2002, der Beklagten am 31.10.2002 zugestellt worden. Mit am 10.12.2002 bei dem OLG eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin Berufung eingelegt und sich die Begründung einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Am 19.12.2002 hat die Beklagte den Antrag angekündigt, die Berufung zurückzuweisen und zugleich Anschlussberufung eingelegt mit dem Ziel, die Klage im vollem Umfang abweisen zu lassen. Zur Begründung hat sie auf ihre erstinstanzlichen Schriftsätze Bezug genommen und sich weiteren Vortrag nach Zugang der Berufungsbegründung vorbehalten. Mit Schriftsatz vom 2.1.2003 hat die Klägerin um Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 13.2.2003 gebeten, die bewilligt worden ist. Am 23.1.2003 hat sie die Berufung zurückgenommen.

II. Nach dem die Klägerin ihre Berufung zurückgenommen hat, ist sie gem. § 516 Abs. 3 ZPO des Rechtsmittels für verlustig zu erklären. Ihr sind ferner die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten aufzuerlegen. Hierzu gehören im Streitfall nicht die Kosten der Anschlussberufung, über die im Übrigen sachlich nicht mehr zu befinden ist, weil sie infolge der Berufungsrücknahme ihre Wirkung verloren hatte (§ 524 Abs. 4 ZPO). Die durch die Einlegung der Anschlussberufung veranlassten Kosten fallen der Beklagten zur Last.

Allerdings hat der Berufungskläger grundsätzlich auch die Kosten der durch die Rücknahme wirkungslos gewordenen Anschlussberufung zu tragen (vgl. BGHZ 4, 240 [241]). An diesem Grundsatz hat sich durch die Novellierung der ZPO nichts geändert. Freilich hat die Rspr. davon dann eine Ausnahme gemacht, wenn die Anschlussberufung wegen eigener Mängel unzulässig war (vgl. BGHZ 4, 240 [241]). Daran ist festzuhalten. In einem solchen Fall sind die Kosten zu quoteln. So liegt es hier.

Nach § 524 Abs. 3 ZPO muss die Anschlussberufung bereits in der Anschließungsschrift u.a. den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO genügend begründet werden. Fehlt es daran – wie hier – ist sie unzulässig (Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 24. Aufl., § 524 Rz. 15, 16). Der Ansicht, zu Gunsten des Anschlussberufungsklägers laufe eine Begründungsfrist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung, wenn er sich bereits vor Ablauf der Begründungsfrist angeschlossen habe (Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 524 Rz. 14, Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 524 Rz. 17), folgt der Senat nicht. Diese Ansicht steht mit dem Gesetzeswortlaut nicht im Einklang. Zwar ist richtig, dass es dem Anschlussberufungskläger unbenommen bleibt, sich innerhalb der genannten Frist (erneut) der Hauptberufung anzuschließen; man mag auch die später fristgerecht nachgeholte Begründung i.V.m. der zuvor eingelegten Anschlussberufung als nunmehr wirksame Anschließung behandeln. Eine Rückbeziehung auf den Zeitpunkt der Einreichung der nicht ordnungsgemäßen Anschließungsschrift, kommt indessen nicht in Betracht. Hierfür besteht kein Bedürfnis. Die Rechtsstellung und auch die Verteidigungsmöglichkeiten des Berufungsbeklagten sind nicht beeinträchtigt, wenn er die Berufungsbegründung abwartet, bevor er sich anschließt. Will er dies nicht, etwa um durch eine Anschlussberufung „Druck” auf den Berufungskläger auszuüben, um ihn zur Berufungsrücknahme zu bewegen, hat er das darin liegende Risiko für den Fall zu tragen, dass er die Anschlussberufung nicht sogleich den gesetzlichen Anforderungen entspr. begründet. Verhindert der Berufungskläger in einem solchen Fall durch Rücknahme einer ordnungsgemäß begründete Anschließung, muss der Anschlussberufungskläger den von ihm selbst veranlassten Nachteil tragen.

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) besteht keine Veranlassung.

Dass die Kosten einer unzulässigen Anschlussberufung dem Anschlussberufungskläger zur Last fallen, ist höchstrichterlich geklärt. Im Übrigen entspricht die Entscheidung dem Gesetzeswort.

Streitwert des Berufungsrechtszugs insgesamt 5.626,21 Euro.

Rosenberger Dr. Schmitz-Pakebusch Mangen

 

Fundstellen

Haufe-Index 1107363

NJW 2003, 1879

EzFamR aktuell 2003, 106

OLGR Köln 2003, 128

KammerForum 2003, 273

Mitt. 2003, 431

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