Leitsatz (amtlich)
1. Die Nichtigkeit der Startgutschriften in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (ZVöD) - z.B. Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) in Karlsruhe und der Rheinischen Versorgungskasse - führt bei rentenfernen Versicherten und Eheschließung vor dem 1.1.2002 zwingend zu einer Aussetzung gem. § 148 ZPO (vgl. BGH, Beschl. v. 5.11.2008 - XII ZB 53/06 - u.a.).
2. Der Versorgungsausgleich innerhalb des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 1587b I, II BGB kann jedoch dennoch durchgeführt werden und der entsprechende Ausspruch im Scheidungsurteil aufrechterhalten bleiben, wenn der Wertausgleich bei der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Zusatzversorgung eines Ehegatten nicht beeinflusst wird; dies gilt auch dann, wenn beide Ehegatten Ansprüche in der ZVöD erworben haben, der Ausgleich in beiden Versorgungssystemen aber nur - jeweils - in eine Richtung geht und das Anrecht in der ZVöD des Ausgleichspflichtigen das zu verrechnende Anrecht des Ausgleichsberechtigten deutlich überwiegt (im Anschluss an Borth, FamRZ 2008, 326, 327 und entsprechend § 2 I Nr. 1b) VAÜG).
3. Hat das AG eine (Teil-)Aussetzung des VA-Verfahrens unterlassen, obwohl die Nichtigkeit der Startgutschriften bekannt und einschlägige Rechtsprechung zur Aussetzung bereits veröffentlicht war, handelt es sich um einen Verstoß gegen die Amtsaufklärungspflicht in § 12 FGG und damit um einen Verfahrensfehler im Sinne der entsprechend anwendbaren Vorschrift in § 538 II Nr. 1 ZPO, der - in Abgrenzung zu den Beschlüssen des BGH vom 5.11.2008, u.a. FamRZ 2009, 211 - (insoweit) zu einer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache führt.
4. Dabei kann das OLG nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und anderer Senate des OLG Köln die Aussetzung - beim AG - gem. § 148 ZPO unmittelbar selbst aussprechen, weil eine andere Entscheidung nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Beschl. v. 5.11.2008).
Normenkette
ZPO § 148
Verfahrensgang
AG Geilenkirchen (Urteil vom 01.08.2008; Aktenzeichen 12 F 12/08) |
Tenor
I. Auf die (befristete) Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 3. vom 4.9.2008 wird der Ausspruch zum Versorgungsausgleich in dem am 1.8.2008 verkündeten Urteil des AG - Familiengericht - Geilenkirchen - 12 F 12/08 - insoweit aufgehoben, als zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei der Beschwerdeführerin Anwartschaften zugunsten der Antragsgegnerin bei der weiteren Beteiligten zu 1. begründet werden.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen; das Verfahren ist insoweit ausgesetzt.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen obliegt dem Familiengericht die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
II. Beschwerdewert: 2.000 EUR.
Gründe
1. Die gem. §§ 621 Abs. 1 Nr. 6, 621e ZPO zulässige befristete Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 3. führt zur Aufhebung der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich insoweit, als der Ausgleich der Anwartschaften des Antragstellers bei der Beschwerdeführerin betroffen ist, und zur Zurückverweisung der Sache in diesem Umfang an die erste Instanz.
2. Der BGH hat durch Urt. v. 14.11.2007 - IV ZR 74/06 - (BGHZ 174, 127, 172 ff.; vgl. Leitsätze in FamRZ 2008, 395 = FamRB 2008, 35 = MDR 2008, 208; bestätigt durch Urt. v. 14.5.2008 - IV ZR 47/05, FamRZ 2008, 1343 ff. Rz. 21 ff.; so inzwischen auch der XII. Senat des BGH mit Beschlüssen v. 5.11.2008 - XII ZB 53/06 Rz. 8 ff., XII ZB 87/06, FamRZ 2009, 211 - Rz. 12 f. und XII ZB 181/05 Rz. 36 ff. [für die inhaltsgleiche Regelung der Rheinischen Zusatzversorgungskasse]) die in der seit dem 1.1.2002 gültigen Satzung der Beschwerdeführerin enthaltene Regelung über die Startgutschriften rentenferner Versicherter wegen Verstoßes gegen Art. 3 I GG für unwirksam erklärt. Eine den Vorgaben der Entscheidung entsprechende Neufassung der Satzung ist bislang nicht erfolgt, so dass ungewiss ist, wie hoch die Anrechte der Parteien bei der Beschwerdeführerin letztlich zu veranschlagen sind. Da die geschiedenen Eheleute zu den sog. rentenfernen Jahrgängen (Vollendung des 55. Lebensjahrs nach dem 1.1.2002) gehören, die Ehe vor dem 1.1.2002 geschlossen wurde und eine Versorgung bei der Beschwerdeführerin am 1.1.2002 noch nicht bezogen wurde, ist eine Durchführung des Versorgungsausgleichs hinsichtlich der Anwartschaften bei der Beschwerdeführerin derzeit nicht möglich (vgl. Borth, FamRZ 2008, 326; BGH Beschlüsse vom 5.11.2008 XII ZB 53/06 Rz. 14 ff., XII ZB 87/06 Rz. 14 ff. und XII ZB 181/05 Rz. 42 f.).
3. Dieser Umstand nötigt jedoch nicht dazu, die Entscheidung des Familiengerichts zum Versorgungsausgleich insgesamt aufzuheben:
Ein Teilausgleich, der die Anrechte in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (ZVöD) ausspart, ist zum einen dann möglich, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte lediglich über Anrechte außerhalb der ZVöD verfügt, die geringer sind als die des ausgleichspflichtigen Ehegatten. In einem solchen Fall liegt...