Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachverständigenablehnung
Leitsatz (amtlich)
Beruht die Besorgnis der Befangenheit auf Äußerungen, die der Sachverständige anlässlich einer klinischen Untersuchung des Klägers gemacht haben soll, ist das Ablehnungsgesuch unter Beachtung einer angemessenen Überlegungsfrist unverzüglich nach dem Untersuchungstermin anzubringen. Eine Ablehnung erst innerhalb der nach § 411 IV ZPO eingeräumten Stellungnahmefrist ist bei dieser Sachlage verspätet.
Normenkette
ZPO §§ 406, 411 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Aachen (Beschluss vom 18.07.2008; Aktenzeichen 11 O 226/07) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 31.7.2008 gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des LG Aachen vom 18.7.2008 - 11 O 226/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Das LG hat mit Recht entschieden, dass das Ablehnungsgesuch vom 22.4.2008 bereits verspätet angebracht worden ist. Nach § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO muss ein Ablehnungsgesuch unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB) gestellt werden. Ergibt sich der Ablehnungsgrund erst aus dem Inhalt eines schriftlichen Gutachtens ist die Frist grundsätzlich gewahrt, wenn die Ablehnung innerhalb einer nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten Stellungnahmefrist erklärt wird (BGH NJW 2005, 1896). So liegt es hier indessen nicht. Die Klägerin leitet ihre Ablehnungsgründe aus Äußerungen der Sachverständigen her, die jene aus Anlass und im Zusammenhang mit der persönlichen Untersuchung der Klägerin am 29.1.2008 gemacht haben soll. Der Klägerin waren die Gründe also bereits zu diesem Zeitpunkt und nicht erst nach Kenntnisnahme vom Inhalt der schriftlichen Begutachtung bekannt. Unter diesen Umständen hätte sie nach einer angemessenen Prüfungs- und Überlegungsfrist, die spätestens gegen Mitte bis Ende Februar 2008 ablief, das Gesuch anbringen müssen. Dass sie rechtsunkundig ist, vermag daran nichts zu ändern. Sie hätte sich um Klärung bemühen müssen und auch unschwer können, denn sie war und ist anwaltlich vertreten.
Das LG hat ferner zutreffend erkannt, dass das Ablehnungsgesuch auch sachlich nicht gerechtfertigt ist. Auf der Grundlage der Stellungnahme der Sachverständigen zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen ist für eine Befangenheit kein Raum. Das verkennt die Klägerin selbst nicht. Ihre anderweitigen Behauptungen hat sie nicht glaubhaft gemacht. Das Beweisangebot durch Vernehmung ihres Ehemannes ist zur Glaubhaftmachung ungeeignet, denn eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft (§ 294 Abs. 2 ZPO). Das ist hier der Fall, weil, womit die Klägerin rechnen musste, das LG über ihr Gesuch gem. § 46 Abs. 1 ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden hat. In einem solchen Fall reicht es nicht aus, sich auf Erklärungen dritter Personen zu beziehen, die das Gericht erst einholen müsste, wozu es nicht verpflichtet ist (so schon BGH NJW 1958, 712).
Wert des Beschwerdeverfahrens: 15.000 EUR
Fundstellen
Haufe-Index 2074133 |
OLGR-Mitte 2008, 806 |