Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausnahme vom Mitwirkungsverbot
Leitsatz (amtlich)
Das Mitwirkungsverbot des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BeurkG ist seinem Sinn und Zweck nach nicht berührt, wenn auch nur der Anschein einer Gefährdung des Vertrauens in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars aus der Sicht eines objektiven, mit den konkreten Gegebenheiten vertrauten Beobachters ausgeschlossen ist. Das gilt in der Regel in den Fällen, in denen die Tätigkeit des Sozius lediglich in der bloßen Ausübung sog. Vollzugs-, Durchführungs- oder Abwicklungsvollmachten liegt, oder wenn der Sozius für alle an der Beurkundung materiell Beteiligten auftritt, einvernehmlich von allen bevollmächtigt ist und für alle - nach vorheriger Absprache - gleichlautende Erklärungen abgibt.
Verfahrensgang
OLG Hamm (Beschluss vom 27.08.2003; Aktenzeichen I K 2084) |
LG Bochum (Beschluss vom 04.03.2003; Aktenzeichen I K 324 SH 3) |
Tenor
Der Bescheid der Präsidentin des LG Bochum vom 4.3.2003 - I K 324 SH 3 - sowie die Beschwerdeentscheidung des Präsidenten des OLG Hamm vom 27.8.2003 - I K 2084 - werden aufgehoben.
Gerichtliche Gebühren und Auslagen sind nicht zu erheben.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Gründe
I. Der Antragsteller ist Rechtsanwalt und Notar und übt seinen Beruf in Sozietät mit weiteren Rechtsanwälten und Notaren aus.
Anlässlich einer bei dem Antragsteller durchgeführten Notarprüfung wurden Beurkundungsvorgänge beanstandet, an denen jeweils für die materiell Beteiligten ein Sozius des Antragstellers als bevollmächtigter Vertreter aufgetreten war. In fünf Fällen handelte es sich um Unterschriftsbeglaubigungen (UR-Nrn. 36/00, 145/00, 146/00, 149/00, 13/01), in sechs Fällen um die Beurkundung von Verhandlungen zur Errichtung von Gesellschaften (UR-Nrn. 24/00, 150-152/00, 190/00, 12/01) sowie in zwei Fällen um die Beurkundung von Hauptversammlungen einer Aktiengesellschaft (UR-Nrn. 71/00, 122/00). Sämtliche Urkundstätigkeiten betrafen die Unternehmensgruppe F. T., mit deren Rechtsabteilung pp. die Beurkundungsvorgänge inhaltlich abgestimmt waren.
Die Präsidentin des LG Bochum hat in diesen Beurkundungsvorgängen einen Verstoß gegen die dem Antragsteller aus § 14 BNotO, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BeurkG obliegenden Amtspflichten gesehen und mit Bescheid vom 4.3.2003, auf den verwiesen wird, eine Missbilligung gem. § 94 BNotO ausgesprochen.
Gegen diesen ihm am 17.3.2003 zugestellten Bescheid hat der Antragsteller am 16.4.2003 Beschwerde eingelegt, der die Präsidentin des LG Bochum nicht abgeholfen und die der Antragsgegner mit am 8.9.2003 zugestellter Beschwerdeentscheidung vom 27.8.2003, auf die ebenfalls Bezug genommen wird, mit der Maßgabe zurückgewiesen hat, dass der Vorwurf entfällt, auch durch die Beglaubigung diverser Unterschriften der Partner gegen das Mitwirkungsverbot aus § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BeurkG verstoßen zu haben. Zur Begründung hat der Antragsgegner im wesentlichen ausgeführt, dass nach dem Zweck der Vorschrift des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BeurkG, wonach bereits der Anschein sowie die Gefährdung der Unparteilichkeit vermieden werden solle, der Sozius als Vertreter bei originären notariellen Verhandlungen "in eigenen Angelegenheiten" i.S.d. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BeurkG beteiligt sei. Unerheblich sei dabei, dass durch die Vertretung - wie hier - weder Vorteile erlangt noch eigene Interessen verfolgt würden, denn es solle von vornherein kategorisch ausgeschlossen werden, dass auch bei nur flüchtiger Betrachtungsweise der Eindruck entstehen könne, der Notar sei möglicherweise einem Urkundsbeteiligten, hier dem Sozius, besonders zugetan, was zu einer Bevorteilung des Vertretenen führe oder führen könne. Nur wenn das zu beurkundende Geschäft ausschließlich in der bloßen Abwicklung eines vorherigen originären, die eigentlichen Verhandlungsergebnisse und notwendigen Folgehandlungen bereits fixierenden Urkundsgeschäfts diene, scheine es ausgeschlossen, hierbei durch das Vertreterhandeln den Anschein einer Neutralitätspflichtverletzung zu sehen. Als solche Abwicklungsgeschäfte könnten auch Handelsregisteranmeldungen und die diesbezüglichen Unterschriftsbeglaubigungen anzusehen sein. Deswegen seien diese von der Präsidentin des LG noch beanstandeten Beurkundungsvorgänge von der Missbilligung auszunehmen.
Gegen diese Entscheidungen, soweit die Missbilligung aufrechterhalten worden ist, richtet sich der am 7.10.2003 eingegangene Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung.
Der Antragsteller ist der Auffassung, dass § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BeurkG nicht anzuwenden sei, wenn - wie bei den beanstandeten Beurkundungsvorgängen - eine Parteinahme aufgrund der vorherigen vollständigen Abstimmung mit dem Vertretenen ausgeschlossen werden könne. Die Urkundsgeschäfte seien wie reine Durchführungs- und Abwicklungsgeschäfte nur noch "abzuwickeln" gewesen.
Der Antragsteller wehrt sich zudem gegen den Vorwurf eines fahrlässigen Verbotsirrtums bei der Herstellung der genannten Urkunde...