Leitsatz (amtlich)
Zum Lieferort gem. Art. 7 EuGVVO bei Vereinbarung der Incoterms Klausel "CPT"
Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 1 O 60/21) |
Tenor
Die Berufungen der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bonn (1 O 60/21) vom 02.07.2021 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 556.489,38 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Senat hat im Hinweisbeschluss vom 15.03.2022 wie folgt zur Sach- und Rechtslage ausgeführt:
"I. Die Parteien streiten über die Kaufpreiszahlung für Keramikfliesen. Die Klägerin ist die Vertriebsgesellschaft der B-Gruppe und Herstellerin der Fliesen. Die Beklagte zu 1) ist eine portugiesische Bauunternehmerin und war an einem Bauvorhaben in A, Frankreich mit der Fassadenverkleidung beauftragt. Die Beklagte zu 2) ist die französische Auftraggeberin des Bauvorhabens.
Im Vorfeld des Vertragsschlusses erfolgten mehrere Abstimmungen hinsichtlich der Beschaffenheit der Fliesen. Ein übergebenes Fliesenmuster hatte eine glänzende Oberfläche ("glossy"). Diese Auswahl wurde in einem E-Mail-Verkehr zwischen den Parteien sowie durch ein technisches Dossier bestätigt und in den von der Klägerin erstellten und von der Beklagten unterschriebenen Kostenvoranschlag übernommen. Die Auftragsbestätigung vom 14.09.2018, die die Beklagte zu 1) am 26.09.2018 unterschrieb, enthielt - bei gleichbleibender Artikelnummer - erstmalig die Eigenschaftsbezeichnung "mat". Am 23.11.2018 unterzeichneten die Klägerin, die Beklagte zu 1) sowie die Beklagte zu 2) eine Vereinbarung in französischer Sprache mit der Überschrift "Convention de Délégation de Paiment Fournisseur" (Anlage K2, Bl. 33 ff. LG). Zwischen den Parteien ist streitig, ob das Dokument im November 2018 erstmalig oder bereits im September 2018 erstellt und im November 2018 lediglich geändert wurde. Die Vereinbarung enthielt in Art. 5 folgende Regelung:
La présente délégation est régie exclusivement par le Droit français. Les litiges seront soumis au Tribunal de Commerce de A.
Laut der Klägerin lautet dieser Artikel übersetzt (Bl. 118 LG):
Der vorliegende Schuldbeitritt wird ausschließlich von französischem Recht regiert. Rechtsstreitigkeiten werden vor das Tribunal de Commerce von A gebracht.
Die Beklagte übersetzt die Klausel wahlweise mit:
Für die vorliegende Vereinbarung gilt ausschließlich französisches Recht. Streitigkeiten werden dem Handelsgericht von A vorgelegt. (Bl. 82 LG) bzw. mit:
Diese Abtretung unterliegt ausschließlich französischem Recht. Streitigkeiten werden dem Handelsgericht von A vorgelegt. (Anlage B2, Bl. 22 LG).
Ebenfalls am 23.11.2018 erstellte die Klägerin eine weitere Auftragsbestätigung, die - gegenüber der Auftragsbestätigung vom 14.09.2018 (Anlage K1, Bl. 30 LG) - eine Änderung hinsichtlich der Lieferbedingungen enthielt und insbesondere die bis dahin in Bezug genommene Incoterm-Klausel "E au transporteur C/D lieu d'expédition: D" durch "F Fret payé A FR lieu d'expédition: D" ersetzte (Anlage B1, Bl. 17 LG).
Nachdem die Beklagte im November 2018 eine Anzahlung in Höhe von 100.000,00 EUR an die Klägerin geleistet hatte, erfolgte am 11.03.2019 eine Teillieferung von 27 Paletten Fliesen auf die Baustelle in A. Weil die Fliesen jedoch in matter Ausführung geliefert worden waren, wurden die Fliesen nicht verwendet. Hierüber wurde die Klägerin spätestens am 14.03.2019 in Kenntnis gesetzt (vgl. Anlage B11, Bl. 42 ff.). Die Klägerin lehnte eine Nachlieferung ab. Die Beklagte zu 1) verweigerte die Abnahme sowie die Zahlung und bestellte am 24.05.2019 erneut Fliesen in glänzender Ausführung bei der Klägerin.
Die Klägerin ist der Ansicht, die deutschen Gerichte seien für den Rechtsstreit international zuständig. In erster Instanz hat sie dies damit begründet, eine Zuständigkeit ergebe sich aus der Auftragsbestätigung vom 14.09.2018, die eine Vereinbarung der Incoterm-Klausel "E" vorsehe und D als Lieferort bezeichnete sowie jedenfalls aus der Auftragsbestätigung vom 23.11.2018, die eine Vereinbarung der Incoterm-Klausel "F" vorsehe, wonach D der Erfüllungsort gewesen sei. Nach der Vereinbarung habe der Transport der Beklagten oblegen. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich zudem aus den Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin, auf die in der Auftragsbestätigung Bezug genommen werde. Die Fliesen seien im Übrigen so wie vereinbart geliefert worden.
Die zunächst bei dem Landgericht Amberg erhobene Klage hat dieses auf Antrag der Klägerin an das Landgericht Bonn verwiesen.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 556.4...